Bäderlandschaft Fürth: Millionen zischen durch die Röhre
17. November 2010 | von Michael Müller | Kategorie: PolitikDie Klagen über die desolaten Finanzen der Kommune Fürth nehmen kein Ende. Was aber aussteht, ist das Bekenntnis der Verantwortlichen zu ihren Entscheidungen. Führungsentscheidungen sind immer unscharf, aber die mit ihnen verbundenen Risiken müssen wohlabgewogen kalkuliert werden. Eine Kommune ist schließlich kein Hedge-Fonds, bei dem spekulative Anlagestrategien Alltagsgeschäft sind.
Ein typisches Beispiel hierfür gibt die Fürther Bäderlandschaft ab, bestehend aus Bäderaltbestand (Hallenbad-Scherbsgraben und Stadeln sowie Sommerbad) und dem »Fürthermare«. Was hat sich da abgespielt?
Die Fakten:
1. Bis zum Jahre 2003 waren Bäderverluste Teil des Verwaltungshaushalts. Sie wurden dem Betreiber der Bäder, der infra fürth holding gmbh & co kg (=infra) ausgeglichen. Die Verluste lagen seinerzeit in einer Größenordnung von 1,4 Mio. € je Jahr. 2003 wurde eine Machbarkeitsstudie für einen »möglichen Thermalbad- und Wellness-Standort« beim Hallen- und Sommerbad Scherbsgraben in Auftrag gegeben.
2. Zum 1. Januar 2004 schloss die Stadt Fürth einen neuen Pachtvertrag mit der infra. Der legte fest, dass Bäderverluste künftig nicht mehr von der Stadt ausgeglichen werden. Die infra führte die Bäder jetzt in Eigenverantwortung. Da die infra zu fast 100% im Eigentum der Stadt steht, bedeutete das Freiraum im Verwaltungshaushalt für andere Ausgaben. Die Verluste der infra aus dem Bäderbetrieb betrugen:
2004 1,743 Mio. €
2005 2,696 Mio. €
3. Am 16. Februar 2005 wurde das Projekt Thermal- und Erlebnisbad vom Oberbürgermeister aus der Taufe gehoben. Ab 1. Januar 2006 fungierte nun die infra als Verpächter des Bäderaltbestandes mit einer »vorab definierten Betreiberentgeltverpflichtung und einem Facility-Management-Vertrag« gegenüber dem neuen, privaten Betreiber der Bäderlandschaft, einer Public Private Partnership-Gesellschaft. In der neuen Konstellation sollte der Betrieb der Bäderlandschaft wirtschaftlicher werden, so ging es durch Pressveröffentlichungen.
Im Oktober 2007 ging das Fürthermare in Betrieb. Die Verluste bei der infra:
2006 2,552 Mio. €
2007 2,450 Mio. €
2008 3,097 Mio. €
2009 2,936 Mio. €
Seit 2007, dem Jahr der Inbetriebnahme des Fürthermare, erhielt die infra aus dem Vermögenshaushalt der Stadt pro Jahr eine Kapitalzuführung von 1,8 Mio. €. Vertraglich zahlbar ist dieser Betrag für 30 Jahre als Kapitaldienst der Stadt Fürth für den Bäderneubau. In Summe also 54 Mio. €, Laufzeit bis 2037! Abzüglich 1,8 Mio. € verblieben also Netto-Verluste bei der infra in Höhe von:
2007 0,650 Mio. €
2008 1,297 Mio. €
2009 1,136 Mio. €Summe 3,083 Mio. €
Bemerkenswert ist, dass das erste komplette Betriebsjahr 2008 des Fürthermare einen Verlustzuwachs von 650.000 € brachte.
4. In der Fürther StadtZeitung vom 23. Juni 2010 wurden sehr kryptisch aufgemachte (=schwer zu verstehende) Zahlen zur Wirtschaftlichkeit von Bäderaltbestand und Fürthermare publiziert. Das Fürther Wasserbündnis hatte eine Diskussion hierüber initiiert. Zur Sprache kamen u. a. Zuschüsse von 900.000 €, um Eintrittsgelderhöhungen im Bäderaltbestand abzuwenden sowie Erlösausausfälle wegen fehlender Einnahmen des Parkhauses in Höhe von 100.000 €. Offen blieb, wo diese Beträge verbucht wurden bzw. werden, ob sie nachhaltig sind und wer sie trägt.
Als Fazit aber hieß es: »Grundsätzlich sind das Fürthermare und die Fürther Bäderlandschaft finanziell erfolgreich«, der Umsatz steigt markant gegen den Trend, das Defizit je Badegast liegt mit 4,40 € deutlich niedriger als in Nürnberg und Zirndorf. Gibt es da noch etwas zu kritisieren? Ja, es gibt:
Erkenntnisse und Fragen:
1. In der Fürther StadtZeitung vom 2. März 2005 hatte der Oberbürgermeister versprochen: »Die Stadt Fürth bekommt … viel mehr Bad für das gleiche oder geringere Entgelt«, denn die Stadt respektive die infra zahle bereits jetzt einen jährlichen Bäderverlust von 1,8 Mio. €, den künftig auch der private Betreiber bekomme. »Kommen mehr als 500.000 Besucher im Jahr, verringert sich der Betrag sogar.«
Tatsächlich lagen kumuliert für 2007 – 2009 die über jeweils 1,8 Mio. € hinausgehenden Verluste der infra – und damit der Stadt Fürth – bei 3,083 Mio. €. Dieser Betrag liegt in der Größenordnung der Grundsteuererhöhung, die die Stadt gerade Grundstückseigentümern und Mietern verpasst hat. Und wo bleiben die Verluste des Parkhauses?
Das Projekt »Thermalbad- und Wellness-Standort Fürth« war also mit harter Kante kalkuliert worden, war eine typische »intelligente Investion«.
2. Das Defizit je Badegast (lfd. Verlust + Kapitaldienst) dürfte lt. vorliegenden Daten statt bei 4,40 € in einer Größenordnung von 7 – 8 € liegen!
3. Warum ist der private Betreiber nicht in die finanzielle Verantwortung genommen worden, als ihm nach nur zweieinhalb Jahren der Ausstieg aus dem PPP-Projekt zugestanden wurde? Ist sein Ausstieg ein Vorzeichen für weiter wachsende Verluste in Bäderbetrieb?
4. Die zusätzlichen Verluste auf Energiepreiserhöhungen zu schieben, ist unredlich: Die Bäderlandschaft ist doch keine Aluminiumhütte. Hier müsste noch einmal die Frage nach Vorgaben, Ausführung und Verantwortung für die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Projektes Fürthermare aufgerollt werden.
5. Der Transfer von Ausgaben und Zuschüssen zwischen kameralem Haushalt und privatwirtschaftlich geführtem Rechnungswesen führt dazu, dass nur noch wenige Kundige den Durchblick durch die Finanzen der Stadt haben. Wissen Stadträte da wirklich noch, wofür sie ihre Stimme geben oder verweigern? Wofür steht diese Institution, wenn sie durch buchhalterische Winkelzüge überfordert wird?
6. Sind die 60 neuen Arbeitsplätze, die der Bäderkomplex bringen sollte, tatsächlich geschaffen worden oder war das im März 2005 nur ein »Versprechen« des Oberbürgermeisters?
All dies sind Fragen, die ihrer ehrlichen Beantwortung bis heute harren...
Verwendete Quellen: Die im Text verlinkten Ausgaben der StadtZeitung sowie die Geschäftsberichte der infra.
Hallo Herr Müller,
Sie haben recht, PPP-Projekte, bei denen die Risiken ausschließlich bei den Kommunen liegen, kommen die Bürgerinnen und Bürger teuer zu stehen, und das PPP-Projekt Fürther Bäder ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Außerdem wird der Stadtrat mit den geheimen Verträgen der PPP-Projekte entmachtet. Das zerstört die Demokratie.
Als einzig positver Effekt im Fall des PPP-Projekts Fürther Bäder bleibt anzumerken, dass unser OB und unser gesamter Stadtrat – mit nur einer Ausnahme – diese Zusammenhänge erkannt zu haben scheinen, was sie mit ihrem Beschluss gegen zukünftige PPP-Projekte in Fürth auch bestätigt haben.
Mit besten Grüßen,
Peter A. Lefrank
Nichts besseres als der schnelle Ausstieg aus der TFB konnte den privaten Investoren überhaupt nicht passieren. Schließlich war die Marge über die Bauausführung schon in trockenen Tüchern. Man hat schlichtweg »vergessen«, von den Investoren ausreichend belastbare Sicherheiten einzufordern. Oder hätte man dann keine Investoren gefunden. Schlange gestanden sind sie wohl nicht. Ein Projekt, das von Haus aus die hochgeschraubten Versprechen nicht erfüllen kann, wird auch privat organisiert nicht sinnvoller. PPP wurde wohl nur deshalb gewählt, weil die Geldbeschaffung zumindest zunächst am städtischen Haushalt vorbei organisiert werden konnte. Die große Show ist gelaufen, die Zeche bezahlen die Bürger dann später.
Verluste ohne Ende
Vor einigen Wochen veröffentlichte die infra ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2010. Berichtet wird dort: »Im Bäderbereich führen beim Fürther Thermal- und Erlebnisbad ‘Fürthermare’ sowohl hohe Energiekosten als auch andere Faktoren beim privaten Betreiber der von der Stadt übernommenen Bäder (Bäderaltbestand) zu Ertrags- und Liquiditätsschwierigkeiten, …«
Da das Fürthermare selbst offensichtlich Gewinn macht (»Fürthermare lässt die Muskeln spielen«, Fürther Nachrichten vom 22.10.2011), ist der neuerliche Verlust von 2,772 Mio. € vermutlich ganz dem Bäderaltbestand zuzuordnen. Von diesem trägt wiederum 1,800 Mio. € die Stadt Fürth, 0,972 Mio. € schmälern der Gewinn der infra (eine 100%-Tochter der Stadt).
Seit Jahren wird getönt, Verlustbringer seien Hallenbäder und Freibad. Aufgelaufen seit 2006 liegen Zuschüsse der Stadt und Verluste der infra bei rund 13,8 Mio. €. Ist es da nicht an der Zeit, in einem expertengestützten Projekt zu untersuchen, ob und wie der Bäderaltbestand wirtschaftlicher betrieben werden kann? Haben andere Gemeinden gleiche oder ähnliche Probleme mit ihren Hallen- und Freibädern? Eine Kooperation und/oder Verkleinerung des Bäderaltbestands sollte da kein Tabu sein.
Ich hege die Vermutung, dass Hallenbäder und Freibad in Fürth ungeliebte Anhängsel des Fürthermare sind. Werbung für den konventionellen Schwimmsport gibt es meines Wissens nicht. Wellness und Fitness sind eben spektakulärer und finanziell attraktiver. Mit einer Investition von 1,0 Mio. € haben infra (!) und Vitaplan (der Betreiber des Fürthermare) gerade den Fitnessclub »Vitamare« aus der Taufe gehoben, mit 74 € Beitrag je Monat! (siehe oben verlinkten FN-Artikel). Da zeigt sich doch, wo und wie Präferenzen gesetzt werden.
Klare Sache: das Uralt-Hallenbad Stadeln sofort dichtmachen ! Mit dem ÖPNV kommt man von Stadeln auch ganz gut zum Scherbsgraben. Aber so einfach ist die Sache wohl nicht, denn hier handelt es sich zweifelsfrei um ein Politikum und man will die Stadelner Wähler nicht vergräzen......
Heute – hoffentlich abschließend – noch einige ergänzende Fakten zum Thema der verlustreichen Bäderlandschaft in Fürth:
1. Zum 1. 5. 2010 übernahm die infra fürth holding gmbh & co kg (infra holding) die Mehrheit der Objektgesellschaft mbH & Co KG (TFB), dem Eigentümer des Fürthermare. Grund für die Unternehmensübernahme war das Scheitern des Fürther Public Private Partnership-Bädermodells, das der Oberbürgermeister 2005/2006 aus der Taufe gehoben hatte. Damit ist die infra holding als Verpächter des Fürthermare in die finanzielle Verantwortung auch dieses Teiles des PPP-Geschäftsmodelles eingetreten.
Pächter und Betreiber des Fürthermare ist die Vitaplan Thermalbad GmbH & Co KG (Vitaplan). Wie sieht nun das Zahlenwerk dieser Verpachtung aus?
• Der sogenannte Erfolgsplan – besser Verlustplan – der TFB kalkuliert in der Planung für 2011 bis 2016 hohe Verluste. Ursache hierfür sind die offensichtlich nicht kostendeckenden Umsatzerlöse aus der Verpachtung des Fürthermare an Vitaplan.
• Das technische Gebäudemanagement (inklusive Bäderparkhaus) liegt bereits seit Jahren bei der infra holding, mit jährlichen Verlusten knapp unter der 3 Mio. Euro Grenze.
2. Für die Bäderlandschaft der Stadt Fürth ergibt sich damit folgende Verlustrechnung aus dem technischen Gebäudemanagement und der Verpachtung des Fürthermare:
Kalkulierte Verluste Bäderlandschaft nach Jahren in Tsd. Euro
Für den Sechs-Jahreszeitraum 2011 – 2016 geht es also um erwartete Verluste in Höhe von fast 20 Mio. Euro!
Das Fürthermare – eine Erfolgsgeschichte?!