Fürth auf grie­chi­schen Spu­ren?

8. Juli 2010 | von | Kategorie: Politik
Der Turm des Fürther Rathauses (Foto: Ralph Stenzel)

Fürths Fi­nan­zen – in ge­fähr­li­cher Schief­la­ge?
(Fo­to: Ralph Sten­zel)

Da­nach be­fragt, ob Deutsch­land dem grie­chi­schen Staat fi­nan­zi­el­le Hil­fe­stel­lung bei der Be­wäl­ti­gung sei­ner Schul­den­pro­ble­me ge­ben sol­le, ant­wor­ten in die­sen Ta­gen gut zwei Drit­tel der Deut­schen mit ei­nem kla­ren Nein. Wer leicht­fer­tig Schul­den auf­ge­baut hat, muss al­lei­ne zu­se­hen wie er wie­der in ru­hi­ge­res Fahr­was­ser zu­rück­fin­det, so die Ar­gu­men­ta­ti­on.

Ein der­ar­ti­ges Schick­sal droht im kom­men­den Jahr­zehnt auch so man­chen deut­schen Kom­mu­nen. Be­trächt­li­che Schul­den­la­sten wur­den in den letz­ten Jah­ren an­ge­häuft. In Fürth hat sich die Schul­den­last seit Amts­an­tritt von Dr. Tho­mas Jung im März 2002 bis En­de 2008 von

180, 5 Mio. € auf 339,7 Mio. €

fast ver­dop­pelt. In nur sechs Jah­ren hat sich der Schul­den­stand im Jah­res­durch­schnitt um 26,5 Mio. € oder gut 11% pro Jahr er­höht.

Die Stadt­rä­te, Re­prä­sen­tan­ten der Bür­ger­schaft und Treu­hän­der ih­rer An­ge­le­gen­hei­ten, ha­ben das Mil­lio­nen­spiel mit­ge­spielt. Die Schul­den­last des Jah­res 2008 er­reich­te 128% des Ver­wal­tungs­haus­hal­tes in Hö­he von 264,8 Mio. €. Ver­bes­sert hat sich seit­her nichts. Gin­ge der Schul­den­auf­bau in glei­chem Tem­po wei­ter wie bis­her – die Pla­nun­gen des Rat­hau­ses bis 2013 spre­chen da­für – stün­de Fürth am En­de der zwei­ten Amts­pe­ri­ode des Ober­bür­ger­mei­sters vor ei­nem

Schul­den­berg von rund 550,0 Mio. €.

Da nach­hal­ti­ge, wirk­sa­me Spar­pro­gram­me nicht zu er­ken­nen und stei­gen­de Ein­nah­men frag­lich sind, han­delt es sich hier nicht um ein an die Wand ge­mal­tes Schreckens­sce­na­rio, son­dern um die Rea­li­tät. Be­mer­kens­wert ist in die­sem Zu­sam­men­hang, dass in den 20 Jah­ren von 1981 bis 2001 die Schul­den der Stadt (oh­ne Stadt­wer­ke, da heu­te in­f­ra fürth), von 131 Mio. € auf 163 Mio. €, al­so um 1,6 Mio. € oder rund 1% pro Jahr ge­wach­sen sind.

Jetzt noch zwei Bei­spie­le zum Fi­nanz­ge­ba­ren von Stadt­ver­wal­tung und Stadt­rat.

  1. Mit wel­chem fi­nan­zi­el­len »Kunst­griff« die Stadt Ban­ken als Geld­ge­ber ge­won­nen hat, zeigt die Aus­glie­de­rung der Stadt­ent­wäs­se­rung Fürth (StEF) in ei­nen wirt­schaft­lich selb­stän­di­gen Ei­gen­be­trieb. Im Jahr 2004 stat­te­te die Stadt die STEF mit ei­nem Trä­ger­dar­le­hen von 85 Mio. € aus. Bis 2008 wa­ren hier­von 52 Mio. € in den städ­ti­schen Haus­halt zu­rück­ge­flos­sen und aus­ge­ge­ben wor­den. Die der StEF da­mit »ent­zo­ge­nen« Mit­tel wur­den suk­zes­si­ve durch Fremd­kre­di­te er­setzt, die 2013 den StEF-Etat (in­klu­si­ve er­for­der­li­cher Neu­in­ve­sti­tio­nen) mit fast 7 Mio. € Zin­sen be­la­sten wer­den; Ten­denz stei­gend.
     
    Die Stadt ver­kauf­te al­so zu­nächst die Stadt­ent­wäs­se­rung qua­si an sich selbst und er­setz­te dann Ei­gen- durch Fremd­fi­nan­zie­rung (Kre­dit­auf­nah­me). Das kann ver­mut­lich nur in stei­gen­de Ab­was­ser­ge­büh­ren für die Bür­ger mün­den; ein neu­er Schlag nach der dra­sti­schen An­he­bung der Grund­steu­er. Und im Raum steht die Fra­ge, wel­cher Ver­mö­gens­ge­gen­stand als näch­ster zur Kre­dit­deckung her­hal­ten muss und da­mit die Po­si­ti­on der kre­di­tie­ren­den Ban­ken wei­ter stär­ken wird.

  2. Mit der Aus­glie­de­rung der Stadt­wer­ke im Jah­re 1999 und ih­rer Fort­füh­rung seit 2001 in der heu­ti­gen in­f­ra fürth hol­ding gmbh & co. kg als Kon­zern­hol­ding er­öff­net sich ein wei­te­rer Weg für fi­nan­zi­el­le Vor­grif­fe in die Zu­kunft. Ge­ra­de in die­sen Ta­gen kön­nen Für­ther Bür­ger dies mit der Über­nah­me der ei­ni­ge Jah­re pri­vat ge­führ­ten Für­ther Hal­len­bä­der, des Frei­ba­des und des Für­ther­ma­re ver­fol­gen. Um ei­ne In­sol­venz der Be­trei­ber TFB / Vi­ta­plan GmbH & Co. KG zu ver­mei­den, ge­hen Ver­mö­gen (An­la­gen) und Schul­den auf die in­f­ra über. Es geht um rund 30 Mio. €.
     
    Als Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der ge­stal­tet der Ober­bür­ger­mei­ster die­se Ge­schäfts­po­li­tik der in­f­ra maß­geb­lich mit, liegt der Kon­zern doch mehr­heit­lich im Be­sitz der Stadt Fürth. Und der Stadt­rat spielt gleich­falls mit.

Ei­nen Hin­weis wert ist in die­sem Zu­sam­men­hang die Re­chen­schafts­le­gung der in­f­ra mit 2,5 Mio. € Ver­lu­sten in 2007 und 3,1 Mio. € in 2008 für den Für­ther Bä­der­be­trieb, der doch ei­gent­lich pri­vat­wirt­schaft­lich be­trie­ben wer­den soll­te. Da­zu kom­men laut Stadt­nach­rich­ten Fürth vom 23. Ju­ni 2010 Bei­hil­fen in Mil­lio­nen­hö­he für En­er­gie­ko­sten, Er­lös­aus­fäl­le beim Park­haus, Er­lös­rück­gän­ge im Som­mer­bad u.ä. Die Sub­ven­tio­nen der Bä­der über die Jah­re 2007 bis 2009 dürf­ten folg­lich bei ei­nem zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag lie­gen.

Als Fa­zit bleibt fest­zu­hal­ten: Der Bür­ger in Fürth ist be­trof­fen von man­gel­haf­tem Fi­nanz­ge­ba­ren der Kom­mu­ne, dro­hen­dem Ver­lust der Lei­stungs­fä­hig­keit der Stadt, feh­len­der Op­po­si­ti­on im po­li­ti­schen All­tag als Kor­rek­tiv und ho­her Ab­hän­gig­keit von kre­di­tie­ren­den Ban­ken. Hof­fen Stadt­ver­wal­tung und Stadt­rat auf ei­nen »bail out« wie im Fall von Grie­chen­land oder wol­len sie ih­rer Auf­ga­be ge­recht wer­den und wie­der Ord­nung in den Fi­nanz­haus­halt brin­gen? Die kom­men­den Mo­na­te wer­den es zei­gen.

Quel­len:
Jahr­buch der Stadt Fürth 2009, Ka­pi­tel 16, Kom­mu­nal­fi­nan­zen.
Fi­nanz­aus­schuss­sit­zung vom 22.06.2010: Schul­den­stand 31.12.2013: 545 Mio. €.
Ge­schäfts­be­richt in­f­ra fürth für 2008, Kon­zern­la­ge­be­richt, S. 20.

 
Dr. Mi­cha­el Mül­ler ist Sta­ti­sti­ker im Ru­he­stand. Er war in ei­nem Groß­un­ter­neh­men in der Nach­bar­stadt Nürn­berg in lei­ten­der Po­si­ti­on tä­tig und zu­dem 16 Jah­re lang Vor­stands­mit­glied der Deut­schen Sta­ti­sti­schen Ge­sell­schaft.

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2 Kommentare zu »Fürth auf grie­chi­schen Spu­ren?«:

  1. Michael Arnold sagt:

    Sehr ge­ehr­ter Herr Mül­ler,

    vie­len Dank für Ih­re Aus­füh­run­gen, die ich mit gro­ßer Ge­nug­tu­ung ge­le­sen ha­be, da ich seit län­ge­rer Zeit mit Sor­ge die be­schrie­be­nen Um­stän­de be­ob­ach­te. Sol­che kri­ti­schen Kom­men­ta­re wird man je­doch nie­mals in den »Für­ther Nach­rich­ten« zu le­sen be­kom­men – es ist mir ei­ne gro­ße Freu­de – wei­ter so!

  2. Die pro­gno­sti­zier­te Ver­schul­dung in Hö­he von ca. 550 Mil­lio­nen Eu­ro bis En­de 2013 ba­siert auf den Haus­halts­zah­len und der Fi­nanz­pla­nung der Haus­halts­jah­re bis ein­schließ­lich 2008. Das wa­ren aus wirt­schaft­li­cher Sicht re­la­tiv gu­te Zei­ten. Bei ge­ring aber ste­tig stei­gen­den Ein­nah­men wur­de ab 2002 in Fol­ge ei­ner zü­gel­lo­sen Aus­ga­ben­po­li­tik die von Dr. Mül­ler be­schrie­be­ne und von der Re­gie­rung be­stä­tig­te Schul­den­ent­wick­lung ge­ne­riert. Die viel zi­tier­ten Fol­gen der Fi­nanz- und Wirt­schafts­kri­se konn­ten in die­se Schul­den­ab­schät­zung noch nicht Ein­gang fin­den. Be­son­ders fa­tal, die Schul­den stam­men nicht aus In­ve­sti­ti­ons­tä­tig­keit, die ist auf nied­ri­gem Ni­veau sta­bil. Die nach wie vor ga­lop­pie­ren­de Aus­ga­ben­meh­rung fin­det aus­schließ­lich im Ver­wal­tungs­haus­halt das heißt bei den lau­fen­den Be­triebs­aus­ga­ben statt. Be­reits die ent­gül­ti­ge Ab­rech­nung des Haus­halts­voll­zu­ges 2009 wird auf­grund der aus­zu­wei­sen­den Deckungs­lücken be­le­gen, dass die kri­sen­be­ding­ten Ein­nah­men­aus­fäl­le der be­reits be­stehen­den Re­kord­ver­schul­dung ei­nen wei­te­ren Schub ge­ben.

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