Rettet die Milchhäuser!
22. Juli 2010 | von Christofer Hornstein | Kategorie: HäuserkampfJedem Dorf sein Milchhaus – so hieß die Parole ab den 1920er Jahren in den bäuerlichen Gemeinden rund um Fürth und anderswo in Franken. Viele Bauern produzierten nun nicht mehr für sich selbst, sondern lieferten Milch auch zum Verkauf. Denn die neu gegründeten Genossenschaften mit ihren »modern« eingerichteten Milchhäuschen ermöglichten eine größere Mengenabnahme der Milch und die wasserbetriebenen Kühlanlagen garantierten eine längere Haltbarkeit.
Jeden Tag, morgens und abends, brachten die Dorfbewohner ihre gefüllten Kannen ins Milchhaus. Dort erfolgten die genaue Messung der Milchmengen und die Eintragung in die jeweiligen »Milchbücher«. Täglich kam der Milchwagen und transportierte die Milch zur nächsten Molkerei.
Die Milchsammelstellen hatten aber noch eine nicht zu unterschätzende soziale Funktion: Meist an zentraler Stelle gelegen, waren die Milchhäuser wichtiger Treffpunkt für die Dorfbewohner, vor allem für die Jugend. In der 60er Jahren wurden aufgrund anderer Produktions- und Vertriebsstrukturen der Milchwirtschaft die meisten Milchhäuser geschlossen.
Noch gibt es einige Milchhäuser, aber der Zahn der Zeit nagt an Ihnen und keiner scheint sich für sie zu interessieren oder gar etwas in ihren Erhalt zu investieren. Sie haben zwar ihre ursprüngliche Funktion verloren, dennoch sind sie charakteristisch für das Ortsbild fränkischer Dörfer im letzten Jahrhundert. Ganz selbstverständlich markieren sie die Ortsmitte wie früher auch das Buswartehäuschen oder die Telefonzelle, der das Handy den Garaus gemacht hat. Der Denkmalschutz hält sie in den meisten Fällen auch nicht für schützenswert, wie man allgemein festhalten muss, dass sich die Denkmalschützer für historische Ortsbilder immer weniger zuständig fühlen und sich auf Einzeldenkmäler konzentrieren, obwohl der Heimatschutzgedanke im Denkmalschutzgesetz durchaus weiter gefasst ist. Die Verschandelung historischer Ortsbilder durch unsensible Neubauten und Einfamilienhaussiedlungen gerade in Stadtnähe ist überall erlebbar.
Ein schönes Exemplar eines Milchhauses steht in Ritzmannshof. Es hat zumindest noch eine Funktion als Schuppen für Gartengeräte und wurde durch einen Anstrich »aufgehübscht«, aber auch hier verfällt das Dach und auf Anfrage teilte das Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege mit, dass »die bauliche Qualität und Aussagefähigkeit nicht dafür ausreicht, um das Milchhaus als Baudenkmal nach Art. 1 DSchG in die Liste einzutragen.«
Schützenswert wäre hier aber gerade das Ensemble mit dem anerkannten Naturdenkmal, der alten Eiche und der sanierten Ritzmannshofer Mühle. Gerade das Milchhaus ist an dieser Stelle eigentlich nicht wegzudenken. Es birgt aber noch ein kleines Geheimnis: Unter dem Milchhaus entspringt eine Quelle, deren Wasser – vorbildlich ökologisch und energiebewusst – zum Kühlen der Milch genutzt wurde.
In vielen anderen Orten, z.B. in Flexdorf und Atzenhof fristen Milchhäuser ein ähnlich trauriges Schicksal und es bleibt zu hoffen, dass sich die Stadtplaner und Denkmalschützer bewusst werden, wie wichtig der Erhalt der Milchhäuser für die Identität der Fürther Dörfer ist.
Christofer Hornstein ist freier Architekt in Fürth-Ritzmannshof. Er wohnt und arbeitet in der alten Mühle und hat das benachbarte Milchhaus täglich vor Augen.
Man sollte die noch existierenden Milchhäuser zumindest virtuell bewahren, wie es der Blogger-Kollege blue sky weiland mit den Pumpenhäusern an der Regnitz beispielhaft vorexerziert hat!
An dieser Stelle erlaube ich mir den Hinweis, daß nicht nur Milch‑, sondern auch Wägehäuser zu den bedrohten Arten gehören. Ein trauriges Beispiel schildere ich heute in meinem eigenen Blog im Artikel »Ausgewogen«.