Fuss­ball­de­mo für Kenn­zeich­nungs­pflicht von Po­li­zi­stIn­nen

18. März 2012 | von | Kategorie: Politik

Es ist der 10.02.2010. Ein Aus­wärts­spiel der SpVgg Fürth in Mün­chen un­ter der Wo­che steht an. Der Geg­ner: FC Bay­ern Mün­chen. Knapp 1000 Fans aus der Klee­blatt­stadt sind un­ter­wegs, um ih­re Mann­schaft zu un­ter­stüt­zen. Doch da­zu kommt es nicht.

Start der Demo an der »kleinen Freiheit« (Foto: Timo Müller)

Start der De­mo an der »klei­nen Frei­heit« (Fo­to: Ti­mo Mül­ler)

Auf­grund der schlech­ten Wet­ter­ver­hält­nis­se an die­sem Tag kom­men ei­ni­ge der Bus­se erst ca. 20 Mi­nu­ten nach dem Spiel­an­pfiff in Mün­chen an. Ein Be­trof­fe­ner er­zählt: »Ich war eh schon ge­nervt, dass ich 20 Mi­nu­ten vom Spiel ver­passt ha­be. Als wir dann end­lich den Bus par­ken konn­ten, was in Mün­chen tat­säch­lich ei­ne län­ge­re Ge­schich­te ist, lie­fen wir in Rich­tung Sta­di­on, doch am Ein­gang woll­ten die Or­der plötz­lich die Per­so­na­li­en un­se­res Tromm­lers ha­ben. Für uns ist das ei­ne völ­lig neue Auf­la­ge und wir ver­wei­ger­ten dies und ei­ni­ge hiel­ten die Trom­mel fest, die ei­ne Ord­ne­rin weg­rei­ssen woll­te. Dar­auf­hin ka­men die US­K’­ler (USK: Un­ter­stüt­zungs­kom­man­do der Po­li­zei, Anm. d. Au­tors) an­ge­rannt und fin­gen so­fort an auf ei­ni­ge von uns mit Ton­fas (Ton­fa: Po­li­zei­schlag­stock, Anm. d. Au­tors) ein­zu­schla­gen. Im Nah­hin­ein be­kam ich mit, dass ei­ne von uns mit dem Kopf auf ei­nen Be­ton­wand ge­schla­gen und ohn­mäch­tig wur­de.«

Die­se Es­ka­la­ti­on war al­ler­dings nicht die ein­zi­ge an die­sem Abend. Als ei­ni­ge SpVgg-An­hän­ge­rIn­nen auf ih­ren Block zu­lie­fen, soll­ten sie er­neut kon­trol­liert wer­den und ih­re Kar­ten vor­zei­gen. Da­bei­ge­we­se­ne be­rich­ten, dass die Si­tua­ti­on schon sehr an­ge­spannt war, da sich die er­ste Hälf­te des Spie­les schon dem En­de neig­te. Ei­ni­ge der Leu­te drück­ten sich schließ­lich durch die mensch­li­che Ket­te von Ord­nern am Ein­gang und ge­lang­ten in den Block. Be­am­tIn­nen des USK ka­men an­ge­rannt und setz­ten so­fort Pfef­fer­spray und Schlag­stöcke ge­gen die ver­blie­be­nen An­hän­ge­rIn­nen vor dem Block ein. In ei­ner Stel­lung­nah­me der Ul­tra Grup­pie­rung »Ho­ri­dos 1000« wird von ei­nem »Ein­prü­geln auf al­les und je­den« ge­spro­chen.

Am Kohlenmarkt (Foto: Timo Müller)

Am Koh­len­markt (Fo­to: Ti­mo Mül­ler)

Die Für­the­rIn­nen ent­schie­den sich zur Halb­zeit­pau­se, das Sta­di­on wie­der zu ver­las­sen, da im­mer mehr Leu­te fest­ge­nom­men wur­den und ei­ne so es­ka­lie­ren­de Po­li­zei­ge­walt nicht mehr hin­nehm­bar sei. Au­gen­zeu­gen be­rich­te­ten, dass die Po­li­zi­stIn­nen des USK wäh­rend des Zu­sam­men­packens der Ma­te­ria­li­en und da­nach plötz­lich in die Grup­pe von Ho­ri­dos und an­de­ren rann­ten, und so­fort mit Schlag­stöcken und Pfef­fer­spray die Leu­te ver­letz­ten. Die­ser An­griff blieb auch nicht der ein­zi­ge die­ser Sor­te. Die USK-Ein­hei­ten prü­gel­ten sich mehr­mals durch die ein­ge­kes­sel­te Men­ge. Ein Für­ther wur­de bei die­sen At­tacken durch ei­nen Schlag auf den Hin­ter­kopf so stark ver­letzt, dass er ei­ne Ge­hirn­er­schüt­te­rung mit Ver­dacht auf ei­ne Hirn­blu­tung da­von trug. Der 50-jäh­ri­ge Fa­mi­li­en­va­ter und SpVgg An­hän­ger Hel­mut Ell, spricht in den Für­ther Nach­rich­ten (FN) da­von, dass Für­ther Fans »wie ei­ne Her­de­Vieh mit Schlag­stöcken in ih­ren Block ge­trie­ben wur­den«. Als er un­be­tei­lig­te Po­li­zei­be­am­te fragt, ob es ei­nen an­de­ren Weg in sei­nen Block gä­be, schlägt ihn ei­ner so­fort zu Bo­den.

Im Nah­hin­ein wird bay­ern­weit in den Ta­ges­zei­tun­gen von der Es­ka­la­ti­on der Ge­walt in Mün­chen be­rich­tet. Auch der Für­ther Staats­an­walt und SpVgg-Fan Horst Ar­nold er­stellt Straf­an­zei­ge ge­gen die Po­li­zei. Die Münch­ner Po­li­zei be­kräf­tig­te nach dem Spiel in ei­ner Pres­se­er­klä­rung, ein Pfef­fer­spray- und Schlag­stock­ein­satz sei not­wen­dig ge­we­sen, da sich »150 be­trun­ke­ne Für­ther Fans ge­walt­sam Zu­tritt zum Sta­di­on be­schaf­fen woll­ten«. Dem ge­gen­über ste­hen et­li­che Aus­sa­gen von Für­the­rIn­nen, die nicht nur aus dem Ul­tra-Spek­trum stam­men, de­nen ja be­kannt­lich we­ni­ger Glaub­wür­dig­keit ge­schenkt wird. Ein Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor und ein Rent­ner sind bei­spiels­wei­se eben­falls un­ter den Be­trof­fe­nen. Zu­sätz­lich sind »Ver­tre­ter des Ver­eins und der Si­cher­heits­be­auf­trag­te, so­wie der Fan­be­auf­trag­te von Be­am­tIn­nen des USK ver­bal und hand­greif­lich at­tackiert wor­den«, schreibt die Ver­eins­spit­ze der SpVgg Greu­ther Fürth in ei­ner Pres­se­er­klä­rung.

Gegen Willkür... (Foto: Timo Müller)

Ge­gen Will­kür... (Fo­to: Ti­mo Mül­ler)

Der Ein­satz in Mün­chen hat­te für die USK-Po­li­zi­stIn­nen kein groß­ar­ti­ges Nach­spiel: Zwei Un­ter­stüt­zungs­po­li­zi­sten wur­den ver­setzt, ob­wohl die­se Ver­set­zung schon da­vor fest­stand. Al­le An­zei­gen ge­gen die Po­li­zi­stIn­nen we­gen »Kör­per­ver­let­zung im Amt« aber wur­den ein­ge­stellt. Der An­walt der be­trof­fe­nen Für­the­rIn­nen wirft den Er­mitt­lern er­heb­li­che Män­gel in dem Er­mitt­lungs­ver­fah­ren vor.

Ein Streit­punkt sind da­bei die Vi­deo­bän­der der Po­li­zei ge­we­sen. Die Po­li­zei be­kräf­tig­te, al­le Bän­der wä­ren in ih­rer Voll­stän­dig­keit vor­han­den. Mar­co No­li, der An­walt der Be­trof­fe­nen, stellt al­ler­dings fest, dass 62 Se­kun­den in Echt­zeit feh­len und bei den ent­schei­den­den An­griffs­sze­nen des USK die Ka­me­ra im­mer wie­der vom Ge­sche­hen weg­be­wegt wur­de. Die wich­ti­gen Film­se­quen­zen die feh­len, sind laut USK auf­grund ei­nes Wackel­kon­takts nicht auf­ge­zeich­net wor­den. Die­ser Be­haup­tung schenkt nie­mand aus den Für­ther Fan­krei­sen Glau­ben.

Auch im Land­tag wird über den Fall dis­ku­tiert. Es geht wie­der ein­mal um die Kenn­zeich­nung für Po­li­zei­be­am­tIn­nen. Der An­trag der Grü­nen wird ab­ge­lehnt.

In der Gustavstraße (Foto: Timo Müller)

In der Gu­stav­stra­ße (Fo­to: Ti­mo Mül­ler)

Die ak­ti­ve Für­ther Fan- und Ul­tra­sze­ne hat nach den Ge­walt­aus­brü­chen vom 10.02.2010 be­schlos­sen, nie wie­der nach Mün­chen zu fah­ren. Statt­des­sen or­ga­ni­sier­ten die »Ho­ri­dos« in Zu­sam­men­ar­beit mit »Stra­de­via 907« für Frei­tag, den 16.03.2012, al­so ei­nen Tag vor dem Spiel in Mün­chen, ei­ne De­mon­stra­ti­on durch Fürth. Um 18.30 wur­de sich an der klei­nen Frei­heit ge­trof­fen. Ca. 250 An­hän­ge­rIn­nen der SpVgg folg­ten dem Auf­ruf. Sie hat­ten Schil­der ge­ba­stelt, auf de­nen u.a. »Stop USK«, »Po­li­zei­über­grif­fe un­ab­hän­gig un­ter­su­chen« und »Vor­gän­ge in Po­li­zei­ge­wahr­sam auf­zeich­nen« steht. Auf dem Front­trans­pa­rent stand »Kenn­zeich­nungs­pflicht für Po­li­zi­sten, so­fort!«.

Von der Für­ther Frei­heit ging es laut­stark mit Pa­ro­len wie »USK ab­schaf­fen!« oder »Fuß­ball­fans sind kei­ne Ver­bre­cher« durch die Fuß­gän­ger­zo­ne zum Für­ther Rat­haus, bei der ein Ver­tre­ter und An­walt der »Rot schwar­zen Hil­fe«, ei­ner An­ti­re­pres­si­ons­or­ga­ni­sa­ti­on von Fans des 1. FC Nürn­berg, ei­ne Re­de hält. Er gra­tu­lier­te den Für­the­rIn­nen zu ih­rer not­we­ni­gen und er­folg­rei­chen De­mon­stra­ti­on und kri­ti­sier­te vor al­lem die Ge­werk­schaft der Po­li­zei. Die­se wehrt sich ve­he­ment ge­gen ei­ne Kenn­zeich­nungs­pflicht für Po­li­zei­be­am­tIn­nen, for­dert aber ei­ne au­to­ma­ti­sier­te Ge­sichts­er­ken­nung an Sta­di­en, um die Fans schon vor dem Be­tre­ten des Sta­di­ons iden­ti­fi­zie­ren zu kön­nen.

Nach die­ser Re­de ging es wei­ter durch die gut­be­such­te Gu­stavstra­sse zum Po­li­zei­prä­si­di­um in der Ka­pel­len­stra­sse. Dort stell­te ein Ver­tre­ter von Am­ne­sty In­ter­na­tio­nal (AI) de­ren Kam­pa­gne »Mehr Ver­ant­wor­tung bei der Poil­zei« vor.

Vor der Polizeiwache (Foto: Timo Müller)

Vor der Po­li­zei­wa­che (Fo­to: Ti­mo Mül­ler)

Ei­ni­ge Ho­ri­dos-An­hän­ge­rIn­nen ver­teil­ten wäh­rend der De­mon­stra­ti­on Fly­er, um die Pas­san­tIn­nen über den Hin­ter­grund ih­rer Ak­ti­on auf­zu­klä­ren. Et­li­che Knei­pen­be­su­che­rIn­nen klatsch­ten für die De­mon­stran­tIn­nen. Auch wenn die­se De­mon­stra­ti­on nur ei­nen klei­nen Teil zur Kam­pa­gne von AI bei­steu­er­te, er­höh­te sie laut den Ver­an­stal­te­rIn­nen »hof­fent­lich den Di­kus­si­ons­be­darf in der Ge­sell­schaft für die Kenn­zeich­nungs­pflicht«.

Nicht nur Fuss­ball­fans, Mi­gran­tIn­nen oder Lin­ke ha­ben mit dem USK schon ih­re Er­fah­run­gen ge­macht: Auch Fa­mi­li­en, die zwar un­er­laubt, aber fried­lich gril­len, durf­ten schon ih­re Er­fah­run­gen mit ge­walt­tä­ti­gen Po­li­zi­stIn­nen des USK sam­meln. Auch das Ver­hal­ten des USK im Zu­sam­men­hang mit den Für­ther Fuss­ball­an­hän­ge­rIn­nen ist kein Ein­zel­fall, son­dern reiht sich ein in ei­ne Se­rie von Po­li­zei­über­grif­fen. Dass dies nicht nur Lin­ke und Fuss­ball­fans fest­ge­stellt ha­ben, zeigt die durch­aus kri­ti­sche Be­richt­erstat­tung in nam­haf­ten Zei­tun­gen. Auch dort wird über die Kenn­zeich­nungs­pflicht für Po­li­zi­stIn­nen dis­ku­tiert.

Die Ge­sich­ter wur­den auf Wunsch ei­ni­ger De­mon­stran­tIn­nen un­kennt­lich ge­macht. Wei­te­re Bil­der gibt es hier.

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3 Kommentare zu »Fuss­ball­de­mo für Kenn­zeich­nungs­pflicht von Po­li­zi­stIn­nen«:

  1. Klarblick sagt:

    Dan­ke für den sehr aus­führ­li­chen Be­richt!
    Wei­te­re Bil­der sind hier zu fin­den: http://spvgg-fuerth.com/?p=3291

  2. King sagt:

    Bei der An­zahl in Mü­chen fehlt ei­ne »0«

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