Un­ter schat­ti­gen Bäu­men – Ein Plä­doy­er für das »Milch­häus­la«

22. September 2014 | von | Kategorie: Politik

War­um war ich nicht schon viel frü­her mal hier zu ei­nem Fei­er­abend­bier?! Die gro­ßen al­ten Bäu­me der Kon­rad-Ade­nau­er-An­la­ge spen­den Schat­ten. Gnä­dig ver­ber­gen Stäm­me und Blät­ter das Elend am an­de­ren En­de des Parks, wo Bau­con­tai­ner für die so­ge­nann­te Neue Mit­te die Brun­nen­an­la­ge zum Schwei­gen ge­bracht ha­ben.

Das »Milchhäusla« am Rande der Adenauer-Anlage (Foto: Michael Memmel)

Das »Milch­häus­la« am Ran­de der Ade­nau­er-An­la­ge
(Fo­to: Mi­cha­el Mem­mel)

Es ist viel­leicht ei­ner der letz­ten schö­nen Aben­de die­ses son­nen­ar­men Som­mers. Wir ha­ben uns am Milch­häus­la ver­ab­re­det. Der An­lass ist un­se­re Sor­ge um die Zu­kunft die­ser Für­ther In­sti­tu­ti­on. Noch vor dem Ar­ti­kel von Vol­ker Ditt­mar in den FN hat­ten wir von der dro­hen­den Kün­di­gung für Frau Lot­tes er­fah­ren und spon­tan be­schlos­sen, bei ei­nem So­li­da­ri­täts­bier In­for­ma­tio­nen aus er­ster Hand ein­zu­ho­len.

Frau Lot­tes ar­bei­tet seit 1983 im Milch­häus­la. Zu­nächst als An­ge­stell­te für den da­ma­li­gen Päch­ter Man­fred Roth, be­vor sie dann 1992 den Sand­stein­pa­vil­lon selbst über­nahm. Der je­weils halb­jähr­li­che Ver­trag mit der Stadt ver­län­ger­te sich von Jahr zu Jahr qua­si au­to­ma­tisch. Doch schon im März kom­men­den Jah­res könn­te al­les zu En­de sein, denn die Stadt denkt an ei­ne Neu­aus­schrei­bung. Lot­tes dürf­te sich dann zwar be­wer­ben, doch sie ahnt, dass sie chan­cen­los wä­re. Die heu­te 59-Jäh­ri­ge stün­de vor dem Nichts. Auf dem Ar­beits­markt war­tet nie­mand auf sie. Hartz IV droht.

Großer Raum für kleine Wünsche: hier findet jede(r) etwas... (Foto: Michael Memmel)

Gro­ßer Raum für klei­ne Wün­sche: hier fin­det jede(r) et­was...
(Fo­to: Mi­cha­el Mem­mel)

War­um? Auf die ent­schei­den­de Fra­ge weiß die pa­ten­te Frau, die seit über 30 Jah­ren den La­den schmeißt, kei­ne Ant­wort. Ih­re Kund­schaft steht hin­ter ihr. Lot­tes hat vie­le Stamm­gä­ste. Sie kom­men aus der gan­zen Stadt in die­se Oa­se. Man­che wa­ren schon als Kin­der da. Ha­ben in der An­la­ge ge­spielt und sich am Ki­osk mit Sü­ßig­kei­ten ver­sorgt. Plötz­lich steht ein klei­nes Mäd­chen ne­ben mir und macht ar­tig auf sich auf­merk­sam, da es et­was kau­fen will. »Oad­li!«, sagt Frau Lot­tes und lässt uns für ei­nen Mo­ment al­lein.

Als sie an un­se­ren Tisch zu­rück­kommt, su­chen wir ge­mein­sam nach den Grün­den, war­um sie ge­kün­digt wer­den soll. »Gschwartl«, wie man­che in der Stadt of­fen­bar zu glau­ben schei­nen, ver­keh­re bei ihr nicht. Wer auch im­mer das sein sol­le, denn selbst die­je­ni­gen, die auf den Park­bän­ken ne­ben­an ihr Do­sen­bier aus dem Dis­coun­ter trän­ken, stör­ten doch im Grun­de nie­man­den. Über­dies blie­ben je­ne un­ter sich, denn die Bier­prei­se im Milch­häus­la sei­en ih­nen zu hoch, wie Frau Lot­tes meint.

Klein, aber nicht unfein: Frau Lottes in ihrem gepachteten Reich (Foto: Michael Memmel)

Klein, aber nicht un­fein: Frau Lot­tes in ih­rem ge­pach­te­ten Reich (Fo­to: Mi­cha­el Mem­mel)

Vie­le der 24 Sitz­plät­ze, die das Milch­häus­la zu bie­ten hat, sind an die­sem Abend be­setzt. Ei­ne jun­ge Frau kommt hin­zu. Sie klopft an un­se­rem Tisch. Wo fin­det man sol­che Um­gangs­for­men heu­te noch?! Be­rüh­rungs­äng­ste vor dem Milch­häus­la sind völ­lig fehl am Platz. Ein gu­ter Ort, der in Frau Lot­tes sei­ne See­le hat. Und die Brat­wurst­sül­ze schmeckt auch.

Mit Schicki­micki hat hier frei­lich nie­mand was am Hut. Frau Lot­tes hat ei­ne Un­ter­schrif­ten­li­ste aus­ge­legt – ge­gen den »Schna­bu­lier­markt« und für den Er­halt ih­res Milch­häus­las. Wir un­ter­schrei­ben al­le. Denn da gibt es ge­wiss ei­nen Zu­sam­men­hang. Die Stadt ver­sucht auf Teu­fel komm raus ihr Klei­ne-Leu­te-Image los­zu­wer­den. Zwi­schen der zu­künf­ti­gen »Neu­en Mit­te« und dem »Horn­schuch-Cen­ter« fin­det das Milch­häus­la mit sei­nem Kli­en­tel kei­nen Platz mehr. Oder bes­ser ge­sagt, es passt nicht mehr ins Bild. Auch ein Ef­fekt der Gen­tri­fi­zie­rung.

Nach­denk­lich tre­te ich den Heim­weg an. War­um um Him­mels Wil­len be­grei­fen in Fürth so we­ni­ge Men­schen, dass sich die Stadt ge­ra­de da­durch klein macht, dass sie un­be­dingt groß sein will? Doch ei­ne an­de­re Fra­ge be­wegt mich noch viel mehr: War­um darf Frau Lot­tes nicht so lan­ge blei­ben, bis sie in Ren­te geht? Sechs Jah­re sind das nur noch. Und ich er­in­ne­re mich an ei­nen Für­ther Kul­tur­re­fe­ren­ten, der ge­gen den Wil­len des Ober­bür­ger­mei­sters in sei­nem Amt be­stä­tigt wur­de, da­mit er Ren­te be­zie­hen konn­te.

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11 Kommentare zu »Un­ter schat­ti­gen Bäu­men – Ein Plä­doy­er für das »Milch­häus­la««:

  1. »Lot­tes dürf­te sich dann zwar be­wer­ben, doch sie ahnt, dass sie chan­cen­los wä­re.« dem Schö­nen Neu­en Fürth (Al­dous Hux­ley ver­zeih´) im Weg steht, darf sich im­mer­hin noch be­wer­ben, das war´s dann aber auch ;-). Das ist ei­ne Po­li­tik, in der es nicht mehr um neue Per­spek­ti­ven oder gar um Idea­le, son­dern nur um den Macht­er­halt und um das gro­ße Geld (bzw. die gro­ßen Geld­ge­ber) geht; in der kei­ner­lei Vi­sio­nen über un­se­re Stadt ge­gen­wär­tig sind, wo nur prag­ma­tisch vor sich hin ge­wur­stelt und so die Ent­wick­lung der Stadt in die Hän­de von In­ve­sto­ren und Bau­trä­gern ge­legt wird, weil man selbst kei­ne Ideen hat. Nur wei­ter so.

  2. Aso­zi­al sind nicht die, de­nen als ein­zi­ge Freu­de ge­blie­ben ist, ein Do­sen­bier vom Dis­coun­ter auf der Park­bank zu trin­ken. Aso­zi­al sind die im Rat­haus, die Leu­te dort­hin brin­gen! Sie kurz vor der Ren­te aus ih­rer hart er­ar­bei­te­ten Exi­stenz wer­fen. Auf die Stra­ße, vor die Fü­ße von Hartz 4.

  3. Manu sagt:

    Ich kann dem Kom­men­tar von Fe­lix G. nur zu­stim­men. Wie skru­pel­los muss man denn sein, wenn man je­man­dem nach so vie­len Jah­ren Ver­trags­treue und so kurz vor der Ren­te die Exi­stenz­grund­la­ge ent­zie­hen will?

    Ein Hin­weis an al­le Stadt­rä­te, die kalt kal­ku­lie­ren: Die Frau sorgt mo­men­tan für sich selbst, ab März dann wir Steu­er­zah­ler...

    An al­le Stadt­rä­te, die sich noch ein biß­chen Herz be­wahrt ha­ben: Ge­hen Sie ein­fach mal hin und Sie wer­den fest­stel­len, dass man dort nicht an­ge­pö­belt wird, dass dort Kin­der vom be­nach­bar­ten Spiel­platz ihr Eis be­kom­men und dass die haus­ge­mach­te Tel­ler­sül­ze gut schmeckt!

    An al­le Stadt­rä­te, de­nen es dort nicht chi­que ge­nug ist: Sie kön­nen ja ins neue »Brau­haus« ge­hen (on­line-Tisch­re­ser­vie­rung nicht ver­ges­sen!), für mehr Geld gleich viel Bier trin­ken und dort von der gu­ten Haus­manns­kost schwär­men. Je­dem Tier­chen sein Plä­sier­chen, oder?

  4. GünniS sagt:

    Ein her­vor­ra­gend for­mu­lier­ter Ar­ti­kel, mei­ne Hoch­ach­tung! Wäh­rend al­so ein an­de­rer Für­ther Ki­osk mit we­sent­lich zwei­fel­haf­te­rem Pu­bli­kum mitt­ler­wei­le zum Für­ther Sze­ne­treff hoch­ge­ju­belt wird, ist das Milch­häus­la in sei­ner jet­zi­gen Kon­stel­la­ti­on nicht mehr er­wünscht. Es ist ziem­lich klar was hier pas­siert: plötz­lich sind da pö­beln­de Trun­ken­bol­de, ist die An­la­ge in ei­nem schlech­ten Zu­stand, treibt sich gar ein Ob­dach­lo­ser dort her­um. Die Ent­mie­tung der Frau Lot­tes ist ei­ne wei­te­re Vor­be­rei­tung um die Ade­nau­er-An­la­ge für den Schna­bu­lier­markt sturm­reif zu schie­ßen. Des­sen Um­set­zung ist hin­ter den Ku­lis­sen wahr­schein­lich schon längst ent­schie­den, die »er­geb­nis­of­fe­ne« Dis­kus­si­on im Stadt­rat nur Ma­ku­la­tur. Und die Für­ther Nach­rich­ten ma­chen sich durch ih­re »Be­richt­erstat­tung« und Zen­sur zu Mit­tä­tern die­ses mie­sen Rän­ke­spiels. Zu oft wer­den dort in­zwi­schen miss­lie­bi­ge Kom­men­ta­re in der On­line-Re­dak­ti­on un­ter­drückt (auch wenn sie der sog. Ne­ti­quet­te ent­spre­chen) und zu oft dür­fen die alt­be­kann­ten Ju­bel­bu­ben ih­ren Zy­nis­mus und ih­re Hä­me über An­ders­den­ken­den aus­kip­pen.

    Wenn man sich mit der Ge­schich­te der An­la­ge be­fasst, stellt man schnell fest, dass es im­mer klu­ge und weit­sich­ti­ge Stadt­vä­ter wa­ren, wel­che die An­la­ge vor wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen schütz­ten – und heu­te ist es ge­ra­de an­ders­her­um!

  5. karl-felix Möschl sagt:

    ich hof­fe das das MILCHHÄUSLA blei­ben kann.ich bin frü­her sel­ber oft dort gewesen.würde ich noch in fürth woh­nen wür­de ich im­mer wie­der hingehen.das MILCHHÄUSLA ist un­se­rer Ro­si s alles.ohne das MILCHHÄUSLA wür­de FÜRTH viel verlieren.ich wer­de zur kirch­weih da sein uind wie im­mer herz­lich will­kom­mem sein.hoffentlich kann ich das näch­stes jahr auch noch.einen gruss an al­le Be­für­wor­ter aus ko­blenz

  6. Peter Wagner sagt:

    Auch ich muss mich vor dem Er­stel­ler des Milch­häus­la-Ar­ti­kels tief ver­nei­gen, ein sehr schö­ner Ar­ti­kel über Bür­ger­ver­ar­sche, wie sie bes­ser noch kaum aus un­se­rem Rat­haus zu er­hal­ten war, für die Fürth aber fast schon immmer be­kannt war und ist.

    Dass die Neue Mit­te doch nur ein wei­te­res Denk­mal für ei­nen an­son­sten im­mer nur re­den­den Ober­bür­ger­mei­ster ist, dürf­te kei­ne neue Er­kennt­nis sein und um die­ses Denk­mal zu er­rei­chen, da­für wird al­les ge­tan.

    Da­für wird die Wahr­heit ver­bo­gen, es wer­den neue, künst­li­che Fak­ten ge­schaf­fen. Das Wohl ei­nes ein­zel­nen Men­schen war dem ehe­ma­li­gen Staats­an­walt, der nun schon äu­ßerst lan­ge in Fürth sein Un­we­sen treibt und auf des­sen Trei­ben die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger noch im­mer her­ein­fal­len, sie­he das letz­te Wahl­er­geb­nis, schon im­mer egal.

    Nur Macht­ver­fol­gung war das Ziel, da­für muss­te auch schon der ein oder an­de­re Par­tei­ge­nos­se den Kopf hin­hal­ten.

    Dar­um, dass ei­ne Frau, die auf dem Ar­beits­markt kei­ne Mög­lich­keit mehr hat, wohl ar­beits­los wird, dar­um küm­mert sich die Stadt.

    Um ehe­ma­li­ge Be­woh­ner, die noch immmer die Gu­stavstr. in Angst­zu­stän­de ver­set­zen, dar­um wird sich nicht ge­küm­mert, ob­wohl hier die Stadt mit Leich­tig­keit die Mit­tel hät­te.

    Und, was die in vie­len Kom­men­ta­ren an­ge­spro­che­ne Rol­le der Für­ther Nach­rich­ten be­trifft, soll­te mal über­prüft wer­den, ob dort füh­ren­de Köp­fe evtl. schon auf städ­ti­schen Ge­halts­li­sten ge­führt wer­den?

    Dem Milch­häus­la wün­sche ich von gan­zem Her­zen al­les er­denk­lich Gu­te. Mö­ge Gott ver­hin­dern, dass hier ein neu­es Ka­pi­tel Un­recht ge­schrie­ben wird.

  7. Iris Rauh sagt:

    Erst »die klei­nen Bür­ger« ha­ben un­ser schö­nes Fürth groß­ar­tig ge­macht.

    Lie­bes Rat­haus, lie­be Stadt­rä­te, Frau Lot­tes ist es zu ver­dan­ken, dass sie ei­nen ku­li­na­ri­schen Treff­punkt mit­ten in der Stadt für gro­ße und klei­ne Bür­ger ge­macht hat. Bit­te lasst sie uns wei­ter­hin in ih­rem uni­ka­ten Milch­häus­le für uns Bür­ger da sein,- sie macht uns Al­len doch ei­ne gro­ße Freu­de da­mit.

  8. Regina Waibel sagt:

    Jetzt lasst doch die Ro­sie des Milch­häus­le so­lan­ge ha­ben wie sie will, Je­der kennt sie je­der mag sie, Die Ro­sie und das Milch­häus­le ge­hö­ren zu­sam­men wie das Ei zum Hun. Lasst den Für­thern ih­re Ro­sie

  9. Kalle sagt:

    Und wie­der ein Schlag ins Ge­nick ei­ner Klein­un­ter­neh­me­rin. Mann sitzt auf Pla­stik­stüh­le – und wo ist das Pro­blem? Bes­ser als auf der Park­bank sit­zen und sein Bier trin­ken. Ich bin seit Jah­ren Stamm­gast beim Milch­häus­le und muss sa­gen-ei­ner der schön­sten Mi­ni­bier­gär­ten die ich ken­ne. Freund­li­che Be­die­nung – lie­be Gä­ste und im­mer gu­te Ge­sprä­che. Ein Treff­punkt So­zi­al­kon­tak­te zu pfle­gen. Wo­zu ein Kaf­fee dar­aus ma­chen?

    50 Me­ter in Rich­tung Fon­tä­nen­hof gibt es be­reits ein Kaf­fee mit Au­ßen­be­stuh­lung. Das sind doch nur Vor­be­rei­tun­gen für den Schna­bu­lier­markt. Für Je­man­den der sich nur neu Pro­fi­lie­ren will – der vor Jah­ren die Py­ra­mi­de in Nürn­berg (Pri­vat Kli­nik) in den Sand ge­setzt hat. Wenn der neue Markt dann da sein soll­te kommt der Spiel­platz dran. Der passt dann auch nicht mehr zum Schna­bu­lier­markt (Schon das Wort un­mög­lich). Wir wün­schen Frau Lot­tes al­les gu­te und den Er­halt des Milch­häus­les in der jet­zi­gen Form.

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