Für dumm ver­kauft?

9. Februar 2011 | von | Kategorie: Politik

Wird der Bür­ger end­lich ernst ge­nom­men, wenn es um Ver­ant­wor­tung bei den kom­mu­na­len Fi­nan­zen geht?

In ei­ner Re­de zum Ethos des Po­li­ti­kers am 8. Mai 2007 in Tü­bin­gen leg­te Alt-Bun­des­kanz­ler Hel­mut Schmidt sei­nen Zu­hö­rern dar, dass »vor al­lem die Kon­trol­le der Po­li­tik durch die wäh­len­den Bür­ger und durch ih­re öf­fent­li­che Mei­nung« not­wen­dig sei, um gu­te von mi­se­ra­bler Po­li­tik zu un­ter­schei­den.

Auf kom­mu­na­ler Ebe­ne lässt sich die­ser Auf­for­de­rung dort am be­sten nach­kom­men, wo es um die Fi­nan­zen geht. In ih­ren Jah­res­ab­rech­nun­gen legt ei­ne Kom­mu­ne Re­chen­schaft über die Ein­nah­men und Aus­ga­ben der Ver­gan­gen­heit ab und zeigt auf, ob Rück­la­gen ge­bil­det oder Schul­den ge­macht wur­den. In den Haus­halts­plä­nen wird über die Ein­nah­men und Aus­ga­ben künf­ti­ger Jah­re be­fun­den, ob und wo ge­spart wird, ob und wo­für Kre­di­te auf­ge­nom­men wer­den müs­sen.

Bei den Haus­halts­be­ra­tun­gen lie­gen die Vor­stel­lun­gen der Par­tei­en hier­über häu­fig weit aus­ein­an­der. Das Ge­wicht der Ver­ant­wor­tung wird eben un­ter­schied­lich emp­fun­den. Die ei­ne Frak­ti­on setzt sich kräf­tig für Wohl­ta­ten ein, die ei­gent­lich nicht fi­nan­zier­bar sind, die an­de­re Frak­ti­on hat den wei­ter wach­sen­den Schul­den­berg im Au­ge und mahnt zur Spar­sam­keit. In ih­ren Haus­halts­re­den le­gen die Frak­tio­nen, aber auch ein­zel­ne Stadt­rä­te, Re­chen­schaft dar­über ab, war­um der Haus­halts­plan ge­ra­de so und nicht an­ders ge­ra­ten ist, was sie von ihm hal­ten und wo­für sie sich ein­ge­setzt ha­ben. Hier er­folgt ein Blick hin­ter die Ku­lis­sen oder auf die Fin­ten, mit de­nen Wäh­ler­sym­pa­thien ge­won­nen wer­den sol­len.

So­weit, so gut. Und jetzt be­rät der Äl­te­sten­rat in Fürth dar­über, ob al­le Haus­halts­re­den, auch die von Ein­zel­stadt­rä­ten, dem Bür­ger künf­tig in vol­ler Län­ge im In­ter­net prä­sen­tiert wer­den sol­len (dür­fen). Bis­her muss­te die­ser mit re­di­gier­ten Kurz­fas­sun­gen in der Stadt­zei­tung vor­lieb neh­men. Ei­ne Kom­men­tie­rung, auch wenn die­se als »Senf«–Beigabe be­zeich­net wird (FN vom 5. Fe­bru­ar 2011) – der Für­ther wird an­schei­nend als ein­fäl­tig ein­ge­schätzt – war bis­her nicht mög­lich. So im­mu­ni­sier­te die Po­li­tik ihr Tun, statt es in Wort und Zahl of­fen zu le­gen. Ein Ar­muts­zeug­nis im Zeit­al­ter der In­for­ma­ti­ons­tech­nik und an­ge­sichts der Tat­sa­che, dass Po­li­ti­ker je­de Wo­che mit Scheck­for­mu­la­ren, Eh­ren­ur­kun­den, So­lar­dä­chern usf. je­den Platz in den Für­ther Nach­rich­ten und der Stadt­zei­tung fin­den, um sich zu pro­fi­lie­ren.

Was al­so tut not, um gu­te von mi­se­ra­bler Po­li­tik zu un­ter­schei­den? Ein von der Käm­me­rei je­des Jahr knapp und gut auf­be­rei­te­tes Zah­len­werk in Jah­res­rech­nung und Haus­halts­plan im In­ter­net, das dem Bür­ger ei­nen Ein­blick in das Fi­nanz­ge­sche­hen sei­ner Kom­mu­ne gibt. Und da­zu die Stel­lung­nah­men der Ver­wal­tung und Stadt­rä­te in vol­ler Län­ge, da­mit of­fen­bar wird, wer sei­ne Ver­ant­wor­tung für die Kom­mu­ne in wel­cher Form wahr­nimmt. Man wünscht sich doch Per­sön­lich­kei­ten und we­nig­stens ein Mi­ni­mum an Dis­kus­si­on zwi­schen Re­gie­rung und Op­po­si­ti­on. Der Quer­den­ker Sieg­fried Tie­fel hat letzt­hin ein Bei­spiel hier­für in der »Für­ther Frei­heit« ge­lie­fert.

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5 Kommentare zu »Für dumm ver­kauft?«:

  1. Philipp Steffen sagt:

    Ob beim Haus­halt oder der Neu­en Mit­te: In den Fä­chern De­mo­kra­tie und Bür­ger­be­tei­li­gung soll­te der OB drin­gend Nach­hil­fe neh­men.

  2. Der Vor­schlag, um­fang­rei­che­re In­for­ma­tio­nen zum Haus­halt und die kon­tro­ver­sen Kom­men­ta­re da­zu ins In­ter­net zu stel­len, ist un­be­dingt zu be­grü­ßen.

    Die of­fi­zi­el­le Sei­te der Stadt Fürth ist un­ge­eig­net. Die Sei­te der Stadt­zei­tung wä­re die rich­ti­ge: Ob na­tür­lich das Bür­ger­mei­ster- und Pres­se­amt mit ih­rem Chef dar­an In­ter­es­se hat, ist mo­men­tan zu be­zwei­feln.

    Scha­de ist, dass nur ein Ein­zel­stadt­rat und die Grü­nen den Mut fin­den, vor­lie­gen­des Ma­te­ri­al bei der Für­ther Frei­heit rein­zu­stel­len. Sind die Frak­ti­ons­zwän­ge so stark, um das zu ver­hin­dern? Oder gibt es In­for­ma­tio­nen und Kom­men­ta­re, die nicht so sehr in das Licht der Öf­fent­lich­keit ge­stellt wer­den sol­len?

  3. Michael Müller sagt:

    Sehr ge­ehr­ter Herr Scher­mann!

    Was hal­ten Sie da­von, sich ein­mal ge­gen­über der Stadt­ob­rig­keit in die­ser Rich­tung zu ar­ti­ku­lie­ren? Sie ken­nen es doch aus ei­ge­ner Le­bens­er­fah­rung, dass net­te Vor­schlä­ge und freund­li­che Auf­for­de­run­gen der Un­ter­stüt­zung vie­ler Stim­men be­dür­fen, um wahr­ge­nom­men und um­ge­setzt zu wer­den. Und wenn Sie dann aus Ih­rem Freun­des- und Be­kann­ten­kreis noch ei­ni­ge Gleich­ge­sinn­te als »Mit­ma­cher« ge­win­nen kön­nen, dann be­kommt die Ar­ti­ku­la­ti­on noch mehr Ge­wicht.

    Al­so, wie hat es Erich Käst­ner for­mu­liert : »Es gibt nichts Gu­tes, au­ßer man tut es.«

  4. Ha­be so­eben fol­gen­des Schrei­ben an das Rat­haus ge­fer­tigt:

    Brief an Bür­ger­mei­ster- und Pres­se­amt

    Betr: Nach­fra­ge wg. Haus­halt 2011

    Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,

    ich woll­te mich über die Haus­halts­si­tua­ti­on mei­ner Stadt kun­dig ma­chen, und muss­te fest­stel­len, dass das sehr schwie­rig und auf­wän­dig ist.

    Bei­spiel: Beim Su­chen im In­ter­net fin­de ich die Haus­halts­re­den der Frak­tio­nen oder der frak­ti­ons­lo­sen Mit­glie­der teil­wei­se gar nicht bzw. ver­kürzt. Ei­ne Über­sicht über die wich­tig­sten Haus­halts­ti­tel fin­de ich nicht.

    So weit mir be­kannt ist, gibt es für Vor­la­gen in den Aus­schüs­sen ei­ne Ser­vice­web-Sei­te, die aber auch für öf­fent­li­che Sit­zun­gen für Nor­mal­bür­ger nicht zu­gäng­lich ist.

    Fa­zit: Das In­for­ma­ti­ons­be­dürf­nis ei­nes in­ter­es­sier­ten Nor­mal­bür­gers wird nicht ge­stillt.

    Ich se­he ein, dass der Stadt­zei­tung bei der mo­men­ta­nen de­fi­zi­tä­ren La­ge nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann, de­tail­lier­te­re In­for­ma­tio­nen zu drucken.

    Es müss­te aber mög­lich sein, auf der In­ter­net­sei­te der Stadt Fürth für den mün­di­gen Bür­ger ei­ne Ex­tra-Ab­tei­lung mit aus­führ­li­chen Dar­stel­lun­gen (Ein­zel­haus­hal­te / Haus­halts­re­den) ein­zu­rich­ten. Die Un­ter­la­gen sind ja schon di­gi­ta­li­siert und müs­sen nicht mehr auf­be­rei­tet wer­den.

    In Er­war­tung Ih­rer Ant­wort
    mit freund­li­chen Grü­ßen

  5. Philipp Steffen sagt:

    Gu­tes Schrei­ben! Drücke die Dau­men!

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