Haushaltsrede zum Haushalt 2011 der Stadt Fürth
6. Dezember 2010 | von Siegfried Tiefel | Kategorie: PolitikRede des fraktionslosen Stadtrats Siegfried Tiefel vom 30.11.2010 zum Haushalt 2011 der Stadt Fürth:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
die Haushaltslage der Stadt Fürth ist katastrophal wie noch nie. Diese Erkenntnis trifft uns nicht urplötzlich oder als Folge der Finanzkrise, sondern ist an der Entwicklung der Haushaltszahlen der letzten 10 Jahre abzulesen.
Zum Beispiel an der gesetzlich festgeschriebenen Mindestzuführung zum Vermögenshaushalt. Diese wurde 2001 um 0,5 Mio. DM verfehlt. 2002, dem Jahr, in dem Sie, Herr Oberbürgermeister, zum ersten Mal für den Haushaltsvollzug verantwortlich waren, um sage und schreibe 9,9 Mio. Euro. Das zieht sich hin bis 2007, als eine ganz neue Qualität der Haushaltsführung zu beobachten war. Die Zahlungsströme hatten sich umgekehrt. Es mussten 5,9 Mio. Euro vom Vermögenshaushalt in den Verwaltungshaushalt, das heißt in den laufenden Betrieb gepumpt werden. Sogar in Ihrem vermeintlichem Paradejahr 2008 wurden nicht nur Investitionen über Kredite finanziert, sondern auch der laufende Betrieb über Kredite gestützt. Herr Oberbürgermeister, Sie haben, obwohl die bereinigten Einnahmen stetig gestiegen sind und obwohl in Ihrer Regierungszeit sogenannte Ersatzdeckungsmittel (Schulden welche Kommunalen Sonderrechnungen zum Beispiel der Stadtentwässerung auferlegt wurden) mittlerweile in dreistelliger Millionenhöhe eingeschleust wurden, den Haushalt grandios an die Wand gefahren.
Der traurige Rekord ist das uns heute vorliegende Zahlenwerk. Der Haushaltsentwurf 2011 weist trotz Steuererhöhungen, trotz Sparbemühungen, trotz wieder steigender Steuereinnahmen und trotz erneut höherer Hilfen durch den Freistaat Bayern eine Deckungslücke von 23,5 Mio. Euro auf. Eine Deckungslücke, die Sie auch durch Buchungstricks nicht schließen können. Am Ende des Jahres werden wir zur höchstzulässigen Kreditaufnahme von 16,8 Mio. Euro eine zusätzliche Verschuldung in Höhe von eben diesen 23,5 Mio. Euro addieren. Diese wird nur deshalb nicht im Haushalt stehen, weil das Gesetz das nicht vorsieht (ein Buchungstrick also).
Werfen wir einen Blick auf Ihre Deckungsvorschläge. Beispielhaft ist da die Entnahme aus der Allgemeinen Rücklage: 7 Mio. Euro. Dazu muss man wissen, die Allgemeine Rücklage hatte zum 31.12.2009 ein nicht zweckgebundenes Volumen von gerademal 3.300 Euro. Sie wollen diese 7 Mio. Euro in 2010 erwirtschaften bzw. einziehen. Das steht im krassen Widerspruch zu den Haushaltsbeschlüssen 2010, welche Grundlage der Genehmigung durch die Regierung waren und im Nachhinein nicht verändert werden können. Mit dem Finanzplan wurde beschlossen, Haushaltsverbesserungen zunächst zur Rückführung der Inanspruchnahme des Trägerdarlehens zu verwenden. Das heißt im Ergebnis, wir werden eine negative Rücklage bekommen. Herr Oberbürgermeister, das gibt es meines Wissens landesweit nur in zwei Städten. In Fürth und natürlich in Schilda.
Keine Privatperson, keine Firma, kein Staat – siehe Griechenland – und auch keine Kommune kann dauerhaft mehr Geld ausgeben als eingenommen wird. Genau das machen Sie seit 2002. Die originäre Tätigkeit jeder verantwortungsbewussten Stadtregierung, Aufgabenkritik und Kostenkontrolle, wurden bis vor kurzem nur verbal praktiziert. Jetzt stehen wir vor riesigem Nachholbedarf. Wir werden die Aufgaben der Kommune neu strukturieren müssen. Das heißt, wir haben zu entscheiden, wo Aufgaben und Leistungen gestrichen werden können; aber auch festzulegen, wo das städtische Engagement aufrechterhalten werden muss. Es wird auch Bereiche geben, in denen die Kommune ihren Einsatz verstärken muss. Die Aufgabenverteilung kann aber nicht in der Weise erfolgen, dass die Stadträte fürs Sparen zuständig sind, möglichst keine Vorschläge machen und wenn doch, dann nur unter Kostenkompensation, während der Herr Oberbürgermeister alleinig für die Ausnahmen vom Sparzwang zuständig ist. Wie schwer das ist, demonstriert die SPD. Gerademal drei Anfragen haben die Kollegen zustande gebracht. Ein Schalk wäre allerdings, wer nun annähme, wenn es nichts mehr zu verteilen gibt, stellt die SPD die Mitarbeit ein.
Zum Schluss möchte ich noch ein paar Sätze zu der unseligen Entscheidung beisteuern, die Haushaltsreden der Einzelstadtratsmitglieder nicht mehr in der Stadtzeitung zu veröffentlichen. Lassen sie mich mit einem Zitat beginnen: »Gleichwohl: Leere Kassen heißen nicht, dass man sich nichts zu sagen hätte. Überrascht wurde ich daher von der Aufforderung, mich bei der Kurzform meiner Haushaltsrede für die Stadtzeitung, auf ein Drittel des bisherigen Umfangs zu beschränken. Sollten auch Sie Herr Oberbürgermeister, künftig Ihre Kolumne um zwei Drittel kürzen, sehe ich hierin einen gemeinsamen Beitrag zur Kostenreduzierung. Andernfalls wäre es wohl schlichte Zensur.«
Wo haben wir das gehört? Richtig Herr Dr. Schmidt, das waren die Schlusssätze Ihrer letztjährigen Haushaltsrede. Der SPD kann man ja keinen Vorwurf machen. Wenn man von einem Teil der gewählten Opposition die Möglichkeit eingeräumt bekommt, sich von medialer Kritik abzuschotten, bedarf es schon einer starken Persönlichkeit, so ein Angebot auszuschlagen. Den Vertretern meiner Partei, der CSU, bitte ich gnädig nachzusehen, dass sie wohl, siehe auch das Eingangszitat, nicht wirklich überrissen haben, was sie hier befürworten. Von den Grünen bin ich enttäuscht. Frau Dittrich, Umfragen zufolge repräsentieren Sie die zweitstärkste politische Kraft in Bayern. Dieser Höhenflug scheint Ihnen jetzt schon nicht gut zu bekommen.
Herr Oberbürgermeister, reden Sie doch nochmal mit den Herrschaften von CSU und Grünen. Wenn trotz jahrzehntelanger politischer Tätigkeit noch so etwas wie Anstand übriggeblieben ist, sollte es einen Weg geben, diesen Beschluss wieder aufzuheben. Wo bleibt da mediale Toleranz?
Ich bedanke mich bei der Verwaltung, besonders bei Ihnen Frau Dr. Ammon, für Ihre trotz nahezu auswegloser Lage entschlossene Arbeit. Uns allen wünsche ich gute Beratungen.
Gut gebrüllt Löwe !
Herr Tiefel legt ja schon seit einiger Zeit immer wieder den Finger in die Wunde »Verschiebung von Haushaltstiteln und Kreditmanipulation«. Seine angestammte Partei (CSU) hat sich von ihm distanziert anstatt ihn in seinem Engagement zu unterstützen.
Ich hab´ ihn 2008 kennengelernt auf einer Veranstaltung des Seniorenbeirats, auf der er sehr schön aufgezeigt hat, wie 10 Millionen zwischen Stadt und WBG verschoben wurden. Dazu muss man vielleicht noch wissen, dass bei der Wohnungsbaugesellschaft wesentlich bestimmend der Geschäftsführer der INFRA ist (CSU – Mitglied! ).
Es gibt sicher Faktoren für die Verschuldung, welche die Stadt mit ihrer Verwaltung nicht zu verantworten hat (z.B. Explosion der Ausgaben im sozialen Unterstützungsbereich), es gab aber Entwicklungen, da wurde sehr viel Geld zur Imagepflege ausgegeben (sogenannte Leuchtturmprojekte ?). Und damit sind nicht nur die lächerlichen Straßenschilder wie Denkmalstadt oder Wissenschaftsstadt gemeint... Könnte natürlich sein, dass sich diese Investitionen für die »Einkaufsstadt Fürth« letzten Endes durch eine immense Ausweitung der Besucherströme aus der Metropolregion irgendwann rechnen....
Fehlentscheidungen der Vergangenheit (die so nicht nur in Fürth getroffen wurden) brachten riesige Nachfolgekosten und werden sie noch weiter bringen: Aktuell seien genannt : Betonsanierungen an relativ neuen Schulbauten, Sanierungen an Brücken und Defizite bei den Bädern und im Nahverkehr.
Es ist wirklich bewundernswert , dass bei dieser nahezu ausweglosen Lage Frau Dr. Ammon ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen vollführt.....
Eine insgesamt gute Rede. Das mit der Zensur halte ich für übertrieben. Gekürzte Haushaltsreden finden evtl. sogar mehr Leser?
Die Kritik an der Führung der städtischen Finanzen kann ich nachvollziehen, ist aber teilweise umständlich formuliert!
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