»Einkaufsstadt Fürth«: Die Weichen werden jetzt gestellt
28. November 2010 | von Christofer Hornstein | Kategorie: HäuserkampfIm November verschickte das Wirtschaftsreferat einen Kriterienkatalog zum »Interessebekundungsverfahren« für Investoren beim neuen Einkaufsschwerpunkt Rudolf-Breitscheid-Straße, verbunden mit mit der Bitte um Stellungnahme.
Empfänger des Schreibens waren die Stadtratsfraktionen, der Stadtheimatpfleger und auch die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth«.
Das Antwortschreiben der BI veröffentlichen wir nachfolgend im Originalwortlaut:
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für die Zusendung des Entwurfes eines Kriterienkataloges für ein »Interessenbekundungsverfahren« im Zusammenhang mit der Investorensuche für den Einkaufsschwerpunkt in der Rudolf-Breitscheid-Straße. Ihrer Bitte, dazu Stellung zu nehmen, kommen wir hiermit gerne nach.
Ihr Schreiben wurde auf dem letzten Treffen der BI unter reger Beteiligung engagierter Fürther Bürger ausführlich und konstruktiv erörtert. Die Voraussetzungen für das Ziel der Bürgerinitiative, nämlich »Eine bessere Mitte für Fürth« zu erreichen, sind durch den Rückzug des portugiesischen Großinvestors Sonae Sierra und den Kauf der Areale Wölfel, Fiedler und Parkhotel durch die Stadt Fürth erheblich gewachsen. Die BI begrüßt, dass aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Lehren gezogen wurden und die Stadt Fürth das Heft des Handelns nun selbst in die Hand genommen hat. Wir möchten alle Entscheider noch einmal daran erinnern, dass es im laufenden Verfahren um weit mehr geht als nur um die kurz- und mittelfristige Verbesserung des Einkaufsangebotes in der Innenstadt. Es geht vor allem um die Gestaltung eines städtebaulich hochsensiblen Bereiches, der das Bild der Stadt auf lange Zeit prägen wird.
Die BI empfiehlt der Stadt Fürth, sich Ihrer mittlerweile sehr guten Ausgangssituation für die Investorensuche bewusst zu sein und entsprechend selbstbewusst zu suchen und zu verhandeln. Gerade die z. Z. defizitäre Einkaufssituation in der Innenstadt bei gleichzeitiger Verbesserung der Sozialstruktur macht Fürth für Investoren hochinteressant. Die zum Verkauf stehenden Bereiche an der Hauptverbindungsachse zwischen Schwabacher Straße und Fürther Freiheit sind Herzstücke der Einkaufsstadt und müssen als Top-Standorte angesehen werden.
Uns ist bewusst, dass der Kriterienkatalog zum »Interessenbekundungsverfahren« bewusst knapp gehalten wurde und regen auch nicht an, diesen Katalog episch zu verbreitern, aber wir möchten Ihnen gegenüber unsere Position zu den einzelnen Punkten etwas ausführlicher darlegen.
Punkt a)Erhaltung der Wegebeziehung in der Rudolf-Breitscheid-Straße als öffentlicher Raum (zumindest für Fußgänger und Radfahrer)
Der hier mit »Erhaltung der Wegebeziehung« leider etwas vage angesprochene Punkt ist und bleibt einer der zentralen Anliegen der Bürgerinitiative. Die BI fordert Erhaltung der Rudolf-Breitscheid-Straße als öffentlicher Raum in ihrer heutigen Breite. Die Planungshoheit der Stadt Fürth für die gesamte Rudolf-Breitscheid-Straße muss erhalten bleiben. Das Teilstück von der Hallstraße bis zur Friedrichstraße sollte zur klassischen Fußgängerzone umgewandelt werden. Gegen einen adäquat dimensionierten »Skywalk« gibt es keine Einwände. Von einer Stahl-Glasüberdachung der Rudolf-Breitscheid-Straße wird allerdings abgeraten. Es ist wünschenswert, dass der Bus nach wie vor durch die RBS und die Hallstraße fährt.
Punkt b)Einbindung/Einfügung in die Stadtstruktur/Baustruktur
Der BI scheint es wichtig, diesen etwas banal und selbstverständlich daherkommenden, wichtigen Punkt einmal näher zu erläutern:
Die Einzigartigkeit der historischen Stadt Fürth macht nicht die Hornschuh-Promenade und nicht die Altstadt um die Gustavstraße aus (so schön und malerisch sich diese auch heute präsentieren), sondern die historische Weststadt mit Ihren noch fast völlig unversehrten, klassizistischen Sandsteinfassaden. Hier liegt architekturhistorisch unbestreitbar das Alleinstellungsmerkmal der Stadt Fürth, mit dem sich ja auch die Initiative um Herrn Lothar Berthold für die Aufnahme in die Liste als »Weltkulturerbe« bewerben möchte. Leider ist noch nicht jedem in Fürth bewusst, welch ein Juwel die westliche Innenstadt darstellt. Gerade in ihrer Geschlossenheit besteht ihr Wert, einzelne Häuser sind weniger spektakulär. Die westliche Innenstadt ist vergleichbar mit einer Briefmarkensammlung, deren Wert in Ihrer Vollständigkeit und nicht in einzelnen Marken besteht.
Bei der Einfügung in die Stadtstruktur müssen v. a. die typischen Proportionen der westlichen Innenstadt beachtet werden. Eine einheitliche architektonische Ausformung der drei Areale würde diese völlig Proportionen sprengen und stellt kein gestalterisch-nachhaltiges Konzept dar. Für den ökonomischen Erfolg ist das zentrale Management des dreiteiligen Geschäftshausmodells wichtig, nicht die Realisierung einer vermeintlich »repräsentativen« Großstruktur, hinter der sich im Falle von Einkaufszentren nur die Kleinstrukturen einzelner Läden wieder finden. Insofern stellt der Verkauf aller drei Areale an einen Investor und die architektonische Trennung dieser Bereiche kein Widerspruch dar, sondern fördert die gestalterische Nachhaltigkeit durch Wahrung Fürth-typischer Proportionen.
Punkt c)Denkmalgeschützte Gebäude sind in die Planung einzubeziehen und weitestgehend zu erhalten.
Wenn wir die zugesandte Übersichtskarte richtig lesen, betrifft dieser Punkt vor allem die Anwesen Rudolf-Breitscheid-Straße 4 und 6. Hier ist die BI der Auffassung, dass es ohne Schwierigkeiten machbar ist, sowohl die Fassaden als auch die dahinter liegende Bausubstanz der Ober- und Dachgeschoße in ein architektonisch reizvolles Gesamtkonzept zu integrieren. Die ohnehin stark neuzeitlich veränderten Erdgeschosse können aus unserer Sicht gänzlich als Portal für die rückwärtigen Geschäfte genutzt werden.
Punkt d)In Anlehnung an die Zielvorgaben des integrierten Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes soll eine Stärkung der innerstädtischen Leitsortimente insbesondere in den Bereichen Bekleidung und Schuhe erfolgen.
Diesen klar formulierten Punkt unterstützt die BI und erkennt keinen Erläuterungsbedarf.
Punkt e)Sachgerechte, städtebaulich und denkmalpflegerisch angemessene und ansprechende Lösung für einen evtl. Ersatzbau des Parkhotels
Die BI befürwortet den Erhalt der Fassade des Parkhotels, v. a. wegen des hohen emotionalen Wertes des Gebäudes und seinem identitätsstiftenden Charakter für Fürth, auch wenn hier nur der Festsaal unter Denkmalschutz steht. In Gesprächen am Stand der BI wurde deutlich, dass viele Fürther Bürger an diesem Fürther Wahrzeichen hängen.
Punkt f)Begrenzung der (Einzelhandels-) Verkaufsflächen auf ca. 15.000 m²/netto
Die Begrenzung der Einzelhandels-) Verkaufsflächen auf ca. 15.000 m²/netto war und ist eine zentrale Forderung der BI. So kann ein Impuls für die Einkaufsstadt Fürth gesetzt werden, ohne dass es in anderen Bereichen zu Verödungen kommt. Hierbei erscheint es uns sehr wichtig, dass als Größenbegriff nicht irgendeine selektierte, die z.B. den Raum hinter der Ladentheke nicht als Verkaufsfläche bemisst, zur Anwendung kommt, sondern die international eingeführte GLA (Gross Leasable Area), also die gesamte Geschäftsfläche! Die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (GIF) erteilt nähere Auskünfte zur korrekten Verkaufsflächenberechnung.
Punkt g)Optional soll der Bau einer Tiefgarage unter dem Center oder unter der Freiheit möglich sein unter der Voraussetzung der Baurealisierung in der kirchweihfreien Zeit und der verkehrs- und stadtverträglichen Situierung/Gestaltung der Ein- und Ausfahrten
Für diesen Punkt regt die BI an, die Auswirkungen des zu erwartenden Liefer- und Kundenverkehrs bei jedem vorgelegten Konzept zu prüfen. Außerdem plädieren wir für ein Parkleitsystem für alle bestehenden Parkhäuser. In jedem Fall sollten nicht in eine bestehende Gebäudestruktur eingefügte solitäre Ein- und Ausfahrten für eine Tiefgarage (z.B. auf der Fürther Freiheit) aus städtebaulichen Gründen unbedingt vermieden werden.
Punkt h)Refinanzierung des Kaufpreises für die von der Stadt erworbenen Grundstücke (Fiedler-Areal / Wölfel-Areal / Parkhotel)
Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich bei den drei Arealen um Sahnestücke des Fürther Immobilienmarktes, die von der Stadt Fürth vergleichsweise günstig erworben worden sind. Insofern stellt die Refinanzierung inkl. der Zinsen und evtl. weiterer Finanzierungskosten eine Selbstverständlichkeit dar. Der BI scheint es wichtig darauf hinzuweisen, dass der Qualität des Konzeptes der eindeutige Vorrang vor dem gebotenen Kaufpreis gegeben werden muss. Nur durch ein in jeder Hinsicht nachhaltiges Konzept wird der langfristige Nutzen (und auch der ökonomische Mehrwert) für die Stadt Fürth gesichert.
Zusätzlich zu den oben abgehandelten Kriterien hält die BI eine architektonisch reizvoll Integration der Sandstein-Fassade des Fiedler-Gebäudes für wünschenswert.
Die BI fordert einen offenen Architektenwettbewerb für das geplante Areal. Größter Wert ist dabei auf die Auswahl einer Jury zu legen, deren Mitglieder Erfahrung im Umgang mit historischen Innenstädten nachweisen können. Die BI stellt sich zur Verfügung, bei der Auswahl der Jury-Mitglieder und bei der Aufstellung der Wettbewerbskriterien behilflich zu sein.
Dass im neuen Konzept wohl kein Platz mehr für ein Kino ist, kann man bedauern, es ist aber verständlich, wenn vorrangig große Fläche für Textil und Schuhe zur Verfügung gestellt werden sollen. Die BI regt an, die Untergeschosse des City-Centers für ein Innenstadt-Kino zu nutzen. Für diesen Zweck wäre auch der bisher wenig angenommene Eingang neben dem Theater ideal. Die große Tiefgarage des City-Centers wäre ebenfalls optimal. Ergänzen könnte man das Angebot durch Gastronomie, Diskothek und evtl. noch ein Fitnesscenter, also Innenstadt belebende Angebote für ein eher jugendliches Publikum.
Die Bürgerinitiative »Eine bessere Mitte für Fürth« unterstützt die Stadt Fürth weiterhin konstruktiv und appelliert an alle Entscheider, sich ihrer Verantwortung für eine nachhaltig positive Entwicklung der schönen Fürther Innenstadt bewusst zu sein.
Beste Grüße!Dr. Christofer Hornstein
(Sprecher der BI »Eine bessere Mitte für Fürth«)
Die Stellungnahme des Stadtheimatpflegers Dr. Alexander Mayer sei hier gleichfalls wiedergegeben:
Anmerkung zu den Punkten c und e:
Hier gehe ich mit dem Stadtheimatpfleger völlig konform und sogar noch einen Schritt weiter: es sollte auch alte Bausubstanz erhalten werden die nicht unter Denkmalschutz steht. Die bayerische Denkmalliste ist sicher auch nicht vollständig oder unfehlbar. Wäre zum Zeitpunkt der Erfassung der Denkmäler z.B. die Fassade des Fiedler-Gebäudes (Rudolf-Breitscheid 9, 11) noch nicht geschändet gewesen, wäre es sicher auch in die Liste aufgenommen worden. Ähnliches gilt wohl auch für Hallstr. 6.
Weiterhin gibt es auf dem sogenannten Wölfel-Areal, also in rückwärtiger Bebauung, interessante Gebäude, allen voran Rudolf-Breitscheid 14, ein neben dem Kino zurückversetzter, imposanter Sandsteinbau (vermutlich die ehemalige Bäckerei ?). Was ist mit diesen Gebäuden geplant? Beim Parkhotel ist zu hoffen, dass es erhalten bleibt und evtl. wieder auf seine ursprüngliche Höhe zurückgebaut wird. Wirklich störend wirken aus der Luft betrachtet nur die Einbauten von Fiedler aus den 1960er Jahren, das Kino und die Commerzbank. Hier kann ein Abriss nur Vorteile für das Stadtbild bringen.
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Eine von der Partei Bündnis 90 / Die Grünen zum neuen Einkaufsschwerpunkt abgegebene Erklärung ist Gegenstand eines neuen Artikels, unter dem die Diskussion weitergeführt werden kann. Hier an dieser Stelle werden die Kommentare hingegen geschlossen.