Fran­ken – das letz­te Pa­ra­dies

9. November 2010 | von | Kategorie: Kultur

Auch wenn Fürth frag­los der Na­bel der Welt ist: Der frän­ki­sche Gar­ten Eden reicht zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen über die Stadt­gren­zen hin­aus, so­gar noch ein paar Dut­zend Ki­lo­me­ter weit ins Um­land. Ei­ne Kunst­aus­stel­lung in der Für­ther Ost­vor­stadt stellt in Kür­ze ei­ne (gar nicht so) klei­ne Kol­lek­ti­on pa­ra­die­si­scher An­sich­ten vor, die auch den letz­ten Zweif­ler da­von über­zeu­gen müß­ten, daß es an­ders­wo schwer­lich schö­ner sein kann...

Anton Atzenhofer: Nabel der Welt

An­ton At­zen­ho­fer: Na­bel der Welt

Wer je­des Bild die­ser Aus­stel­lung se­hen will, muss sich et­was Zeit neh­men, ge­len­kig sein und hoch­auf­merk­sam. Auf den zwei Eta­gen des ver­win­kel­ten Fach­werk­hau­ses, in dem sich die Ga­le­rie At­zen­ho­fer be­fin­det, hän­gen rund 120 Wer­ke dicht­ge­drängt vom Bo­den bis zur Decke, in je­der Mau­er­ni­sche, je­dem klei­nen Win­kel, so­gar im Trep­pen­haus. Das The­ma »Pa­ra­dies Fran­ken« lag den 23 ge­la­de­nen Künst­lern so sehr am Her­zen, dass weit mehr Wer­ke ein­ge­reicht wur­den, als die Ver­an­stal­ter er­war­tet hat­ten.

Knapp die Hälf­te der Bil­der zei­gen Land­schafts­idyl­len und Stadt­an­sich­ten in ver­schie­den­sten Mal‑, Zei­chen- und Druck­tech­ni­ken. Ro­then­burg ob der Tau­ber, Bamm­berch, frän­ki­sche Berglein, Käf­fer, Bier­kel­ler und das Wal­ber­la in groß­ar­ti­gen Ge­mäl­den und Zeich­nun­gen von Fred­der Wa­noth, Prof. Heinz Schil­lin­ger und Sieg­bert von Stock­hausen. Fran­ken ver­fügt über ei­ne pa­ra­die­sisch schö­ne Land­schaft, kurz ge­sagt: Fran­ken ist das Pa­ra­dies!

Kurt Neubauer: Schnepfenreuth

Kurt Neu­bau­er: Schnep­fen­reuth

Der äl­te­ste Teil­neh­mer der Aus­stel­lung, Horst Schä­fer (77) setzt die kras­se­sten Ge­gen­ak­zen­te zur all­seits dar­ge­stell­ten Land­schafts­idyl­le: Sei­ne schwarz­wei­ßen Ba­ryt-Hand­ab­zü­ge zei­gen ei­ne ge­spen­sti­sche Fried­hofs-Sze­ne im Schnee, den my­ste­riö­sen Nürn­ber­ger Ver­si­che­rungs­tower vor dra­ma­ti­scher Wol­ken­si­tua­ti­on und die völ­lig ir­re mo­der­ne Fas­sa­de ei­ner frän­ki­schen Por­zel­lan­fir­ma. Von Kurt Neu­bau­er stam­men ein nett prol­li­ges Knei­pen­gäss­chen in Schaf­hof und ei­ni­ge wun­der­schö­ne Im­pres­sio­nen land­wirt­schaft­lich ge­nutz­ter Agrar­flä­chen in der frän­ki­schen Schweiz.

Ei­ne be­son­ders ans Herz ge­hen­de Dar­stel­lung des Für­ther Lo­kal­pa­trio­tis­mus wur­de von dem Nürn­ber­ger Künst­ler An­ton At­zen­ho­fer ge­malt, der die be­son­de­re At­mo­sphä­re der Für­ther Kär­wa zwi­schen Fress- und Sauf­bu­den ei­ner­seits und dem in­ter­es­san­ten An­ge­bot an un­ab­ding­bar not­wen­di­gen Haus­halts-Wun­der­ge­rä­ten wie dem Blitz-Pa­tent-Gur­ken­ho­bel an­de­rer­seits dar­stell­te. Ein an­de­res Werk des Künst­lers zeigt den wohl schön­sten frän­ki­schen Obst- und Ge­mü­se­markt als idyl­li­sches Zen­trum der Ge­schäf­tig­keit: der Nürn­ber­ger Haupt­markt im Som­mer, ein Pa­ra­dies für Händ­ler, Käu­fer und son­sti­ge Be­su­cher.

Heinz Schillinger: Kirschblüte

Heinz Schil­lin­ger: Kirsch­blü­te

Das ku­li­na­ri­sche Pa­ra­dies Fran­ken kommt in lecker ar­ran­gier­ten Zeich­nun­gen mit zu­frie­de­nen Bier­trin­kern und cho­le­ste­rin­rei­chen Wurst­ber­gen und fri­schen Schwarz­brot­schei­ben zum Aus­druck. Die schlich­ten Lin­ol­schnit­te der Hers­brucker Bü­cher­werk­stät­te sind so äs­the­tisch, dass selbst ein­ge­fleisch­te Ve­ge­ta­ri­er sich für den rie­si­gen Pres­sack, ei­nen lecke­ren 11-teil­i­gen Frisch­wurst-Auf­schnitt und den ty­pi­schen Über­rest ei­ner frän­ki­schen Karp­fen­mahl­zeit be­gei­stern wer­den.

Auch die Spra­che der Fran­ken trägt et­was ganz ent­spann­tes, ja pa­ra­die­si­sches in sich. »Fräng­gisch« ist an­ge­nehm ku­sche­lig, da stört kein har­ter Laut, da nervt kei­ne bla­sier­te Re­de­wen­dung. Die frän­ki­sche Spra­che ist nicht ar­ro­gant, sie kommt eher schlicht, be­schei­den und um­gäng­lich da­her. Selbst in be­trun­ke­nem Zu­stand oder im Halb­schlaf kann man noch ast­rei­nes Fräng­gisch von sich ge­ben, was nicht bei je­dem Dia­lekt mög­lich ist.

Siegbert von Stockhausen: Raps bei Hohenpölz

Sieg­bert von Stock­hausen: Raps bei Ho­hen­pölz

Die Schön­heit der Spra­che wird dem Be­su­cher be­wusst, wenn er Gerd Bau­ers frän­kisch un­ter­ti­tel­te Car­toons zu viel­fäl­ti­gen welt­be­we­gen­den The­men durch­liest. Für Be­su­cher, die nicht aus dem frän­ki­schen Gar­ten Eden stam­men ei­ne schwie­ri­ge Auf­ga­be, ja selbst für Pa­ra­dies­be­woh­ner, mit ih­ren oft nur mehr sehr mo­de­ra­ten Dia­lekt-Sprach­kennt­nis­sen nicht ganz ein­fach. Der Tipp vom Künst­ler Gerd Bau­er: frän­ki­sche Car­toon-Tex­te soll­te man laut le­sen! Die The­men sind viel­fäl­tig und bunt wie das Pa­ra­dies: Gen­kür­bis­se, Feng Shui im Zenn-Grund, Stamm­tisch­po­li­tik, die Grö­ße frän­ki­scher Brot­zeit­por­tio­nen…

Su­san­ne Schattmann stammt aus dem Rhein­land, ist so­zu­sa­gen wahl­be­hei­ma­tet im Pa­ra­dies und hat sich mit dem frän­ki­schen Dia­lekt auf hu­mor­vol­le Art und Wei­se aus­ein­an­der­ge­setzt. Ih­re Samm­lung frän­ki­scher Pa­ra­dies­schmet­ter­lin­ge zeigt un­ter an­de­rem ei­nen dä­mo­ni­schen Didd­lers­bad­scher und ei­nen hoch­ak­ku­ra­ten Dipp­fer­las­sch­eiser.

Gerd Bauer: Mir Franggn

Gerd Bau­er: Mir Franggn

Zur er­klär­ten Ziel­grup­pe der Aus­stel­lung zäh­len in er­ster Li­nie die Fran­ken selbst, denn nir­gends wird so dreist tief­ge­sta­pelt wie hier­zu­lan­de, ge­ra­de auch was die wahr­haft pa­ra­die­si­schen Zu­stän­de der Hei­mat­re­gi­on an­be­langt. Schwer zu sa­gen, ob man­geln­des Selbst­be­wusst­sein oder an­er­zo­ge­ne bzw. tra­di­tio­nell über­lie­fer­te Gran­tig­keit da­zu füh­ren, dass sich im Be­wusst­sein der Fran­ken oft ein grau­er Schlei­er über die an sich strah­lend schö­ne Um­ge­bung legt. In je­dem Fall kann es aber nicht scha­den, die Wahr­neh­mung zu schär­fen für die Idyl­le um uns her­um.

Zwar wä­re es in­ter­es­sant, wenn die Aus­stel­lung auch über­re­gio­nal be­ach­tet wür­de, denn bis­lang steht ja welt­weit al­les Baye­ri­sche so mas­siv im Ram­pen­licht, vom Ok­to­ber­fest bis zum »Ser­vus Mit­einand«, dass die mei­sten an­de­ren Re­gio­nen kaum wahr­ge­nom­men wer­den. Bes­ser für die idyl­li­sche At­mo­sphä­re ist es aber ver­mut­lich, wenn Fran­ken ein Ge­heim­tipp bleibt: Ge­ra­de das macht ei­nen Teil des Pa­ra­dies-Charmes aus, nicht so stark im Mit­tel­punkt der all­ge­mei­nen Auf­merk­sam­keit zu ste­hen, son­dern eher wie ei­ne stil­le un­be­ach­te­te Oa­se des Glücks im Ver­bor­ge­nen zu glän­zen.

 
Fran­ken – das letz­te Pa­ra­dies

Ver­nis­sa­ge:
13. No­vem­ber 2010 von 13.00 bis 18.00 Uhr

Aus­stel­lungs­dau­er:
13. No­vem­ber 2010 bis 15. Ja­nu­ar 2011 29. Ja­nu­ar 2011
je­den Frei­tag & Sams­tag von 13.00 bis 18.00 Uhr
oder nach te­le­fo­ni­scher Ver­ein­ba­rung

Ga­le­rie At­zen­ho­fer
Weiß­ger­ber­gas­se 17
Wein­markt 10 (ab 2017)
90403 Nürn­berg
Te­le­fon: 0152 – 33 86 80 66
post@galerieatzenhofer.de
www.galerieatzenhofer.de

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6 Kommentare zu »Fran­ken – das letz­te Pa­ra­dies«:

  1. Birgit Göß sagt:

    ach ja, die ka­ri­ka­tur zeigt mir wie­der mal das ich aus fran­ken bin :-)

  2. [...] Von An­ton At­zen­ho­fer, dem Schöp­fer mei­nes ser­vi­len klei­nen Die­ners, stammt auch das net­te Ti­tel­bild zu die­ser Aus­stel­lungs-An­kün­di­gung in der »Für­ther Frei­heit«. Wer ei­nen nie­der- und un­ter­schwel­li­gen Zu­gang zur hie­si­gen Kunst­sze­ne sucht [...]

  3. Birgit Göß sagt:

    na fra­li, ich bin aus fran­ken, und das wir der na­bel der welt sind soll­te doch schon all­ge­mein be­kannt sein, drum wun­ders mich das die hie­si­ge kunst­sze­ne noch mal drauf auf­merk­sam macht, aber fra­li and­re sen halt net so ge­scheit, und da­mit sichs werg­li rum­spricht leist mer do halt a nu auf­klä­rungs­ar­beit ;-)))))

  4. Nach­dem ich am Ver­nis­sa­gen-Sams­tag ver­hin­dert war, hat­te ich erst ge­stern Ge­le­gen­heit, mir die Aus­stel­lung aus­führ­lich zu Ge­mü­te (und ein Stück Ku­chen zu Mun­de) zu füh­ren. Und ich muß sa­gen: Gro­ße Klas­se! Ei­ne breit­ge­fä­cher­te Werk­schau quer duch das mit­un­ter au­gen­zwin­kern­de Œv­re zahl­rei­cher frän­ki­scher Künst­ler und Künst­le­rin­nen, da soll­te wirk­lich für je­den Ge­schmack et­was da­bei sein, zu­mal die Prei­se an­ge­mes­sen bis ziem­lich mo­de­rat er­schei­nen. Ich bin im­mer wie­der er­staunt und über­rascht, was Ly­dia Schu­ster und An­ton At­zen­ho­fer in den bei­den ge­müt­li­chen, aber doch recht kom­pak­ten bei­den un­te­ren Eta­gen ih­res Hau­ses ge­konnt zu prä­sen­tie­ren wis­sen...

  5. Nichts wäh­ret ewig, auch nicht pa­ra­die­si­sche Zu­stän­de. Im­mer­hin, die Ver­län­ge­rung die­ser wun­der­ba­ren Aus­stel­lung bis zum 29. Jan. 2011 ist (nicht nur) aus Für­ther Sicht sehr zu be­grü­ßen!

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