Die Online Enzyklopädie Wikipedia
22. Juni 2010 | von Alexander Mayer | Kategorie: WissenBesser als der Brockhaus
Entsprechend einer repräsentativen Umfrage liegt Wikipedia auf Platz 4 der international bekanntesten Marken, Tests belegen: Wikipedia ist eher besser als kostenpflichtige Online-Enzyklopädien wie Brockhaus oder sogar die Encyclopædia Britannica. Gerade Schüler greifen zunächst einmal auf Wikipedia zurück, wenn sie ein Referat ausarbeiten. Was steckt hinter diesem Erfolgskonzept, wo sind die Probleme, wo die Chancen?
Wiki ist gleich schnell
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia basiert auf dem Hypertext-System Wiki (siehe unten), das Wort setzt sich aus dem hawaiischen Wort wiki für »schnell« und aus dem englischen »Encyclopedia« zusammen. Die Artikel werden von der weltweiten Autorengesellschaft unentgeltlich erstellt, die Autoren können unter vollem Namen (wie ich selbst), unter Pseudonym oder nicht angemeldet arbeiten, wobei die jedem Internetnutzer zugeteilte IP-Adresse immer aufgezeichnet wird. In einem offenen Bearbeitungsprozess hat Bestand, was von der Gemeinschaft der Mitarbeitenden akzeptiert wird. Die Wikipedia ist gegenwärtig das meist benutzte Online-Nachschlagewerk und rangiert weltweit auf Platz sieben der meistbesuchten Websites. Betreiber ist die Wikimedia Foundation, eine Non-Profit Organisation mit Sitz in San Francisco, die neben Wikipedia – der mit Abstand bekannteste Wiki – auch andere Wikis betreibt, z.B. Wikimedia Commons.
Hypertext-Struktur
Basis der Arbeit ist das Wiki, ein sogenanntes Hypertext-System für Webseiten. Wikis ermöglichen das gemeinschaftliche Arbeiten an Texten, somit lassen sich die Erfahrung und der Wissensschatz der Autoren zusammenzufassen (Stichwort: Kollektive Intelligenz). Wikis setzen im Unterschied zu genau geregelten Arbeitsabläufen in Redaktionssystemen auf die Philosophie des offenen Zugriffs. Die Änderbarkeit des Systems durch jedermann setzt eine ursprüngliche Idee des World Wide Web konsequent um. In der Praxis haben sich in der Wikipedia verschiedene Kontrollmechanismen entwickelt. Wichtig ist dabei die Versionsverwaltung, die es den Benutzern im Fall von Vandalismus und Fehlern erlaubt, eine frühere Version einer Seite problemlos wiederherzustellen.
Ein großer Vorteil gegenüber Printmedien ist die Möglichkeit von Querverweisen innerhalb der Wiki, das heißt die verschiedenen Einträge können miteinander verbunden werden. Das sieht in der Praxis so aus, dass im Text manche Wörter oder Passagen blau erscheinen. Klickt man dieses Wort oder diese Passage an, erscheint ein neuer Eintrag, der diesen Begriff erklärt.
Eigene Erfahrungen
Als ich mich im Dezember 2006 als Autor bei Wikipedia anmeldete, wollte ich eigentlich nur den Artikel »Schlacht an der Alten Veste« korrigieren. Zuvor hatte ich Wikipedia schon häufig zu Rate gezogen, zumeist war ich damit ziemlich gut gefahren. Mittlerweile habe ich fast 600 Bearbeitungen in der Online-Enzyklopädie vorgenommen und wurde deswegen als »Sichter« eingestuft, das ist in etwa gleichbedeutend mit einem Lektor.
Wenn ich morgens meine Rechner einschalte, gehe ich als erstes meine »Beobachtungsliste« in Wikipedia durch und schaue die aktuellen Änderungen in den Artikeln an, für die ich mich interessiere. Durchaus nicht selten vorkommender Vandalismus wird rückgängig gemacht, Änderungen werden kontrolliert und eventuell korrigiert. Wenn ich selbst etwas recherchiert oder einen Artikel geschrieben habe, wird das Ergebnis online gesetzt und damit in der Wikipedia Gemeinschaft zur Diskussion freigegeben. Der Ton ist mitunter rau, peinliche Vermerke können für alle sichtbar auf dem Artikel erscheinen: »Muss in die Qualitätssicherung«, »Muss überarbeitet werden«, »Quellen fehlen« etc. etc. Akademische Titel gelten in Wikipedia wenig, die Bearbeitungsrechte werden alleine nach dem Fleiß innerhalb Wikipedia vergeben, und ich musste mir am Anfang einige rüde Zurechtweisungen gefallen lassen. Erst mit der Zeit wird man akzeptiert und darf seine Artikel und Änderungen selbst freischalten.
Wikipedia ist deswegen gut und wird immer besser, weil dem »Kontrollsystem der tausend Augen« selten ein Fehler, ein überflüssiger Artikel oder fehlende Quellenverweise entgehen. Fehler bleiben nur dann liegen, wenn sich zu einem eher speziellen Thema keine Interessenten finden, die hier nach Fehler recherchieren. Anderseits gibt es über bestimmte problematische Aspekte bestimmter Artikel harte, langwierige Diskussionen und Auseinandersetzungen, bei denen manche Autoren frustriert alles hinwerfen.
Zunehmender Einfluss
Neben ihrer Funktion als Enzyklopädie spielt Wikipedia eine wachsende Rolle als Nachrichtenmedium, ähnlich Twitter und Facebook auch gerade in kritischen Situationen. Deswegen ist der Zugriff vor allem auf die englischsprachige Wikipedia in manchen totalitären Ländern gesperrt bzw. erschwert.
Derzeit sind 1.084.000 Artikel mit freien Inhalten in deutscher Sprache abrufbar. »Freie Inhalte« bedeutet, dass die Weiterverbreitung, Veränderung und Nutzung zu jeglichem Zweck ohne Zahlung von Lizenzgebühren erlaubt ist. Lediglich einzelne Bilder sind ausgenommen, zum Beispiel das Wikipedia-Logo selbst.
Die bisher einflussreichste Enzyklopädie war die ab 1751 erschienene französischsprachige »Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers«, der Titel umschreibt Enzyklopädie mit »dictionnaire raisonné«: ein »vernünftig aufgebautes« ‑also kritisch durchdachtes- Wörterbuch. Die Arbeit der Enzyklopädisten leitete die militante Phase der Aufklärung und damit die französische Revolution ein – das Fanal zu unserer modernen Welt.
Wir dürfen gespannt sein, was Wikipedia in der Zukunft bewirkt.
Dr. Alexander Mayer ist ehrenamtlicher Stadtheimatpfleger in Fürth.
Also in einem Fürther Portal würde ich an dieser Stelle doch einen Hinweis auf das FürthWiki erwarten! ;-)
Schließlich schließt es so einige Lücken in der lokalen Geschichtsschreibung, die die Wikipedia gar nicht bespielen kann, z. B. die Geschichte einzelner Straßenzüge, Wirtschaften usw.
Jeder ist herzlich dazu aufgerufen und eingeladen mitzumachen!
http://www.fuerthwiki.de