Hei­ße Luft um die Gu­stav­stra­ße

14. April 2015 | von | Kategorie: Politik

Am 13. April 2015 fand im Kul­tur­fo­rum die Ver­an­stal­tung mit dem denk­wür­di­gen Ti­tel »Zu­sam­men­le­ben in der Gu­stav­stra­ße« statt – u.a. mit MdB Car­sten Trä­ger, MdB Flo­ri­an Pro­nold, OB Dr. Tho­mas Jung, MdL Horst Ar­nold und MdL/BM Har­ry Scheu­en­stuhl so­wie BM Tho­mas Zwin­gel.

Florian Pronold im Kulturforum. (Foto: Alexander Mayer)

Flo­ri­an Pro­nold im Kul­tur­fo­rum. (Fo­to: Alex­an­der May­er)

Ein ver­lo­re­ner Abend – wie ich der Che­fin reu­emü­tig beich­ten muss­te, als ich spät abends von der Ver­an­stal­tung und Stamm­tisch-Nach­be­spre­chung heim­kom­mend un­ter die Bett­decke kroch. Lan­ge hat­te ich ge­zö­gert, zu der Ver­an­stal­tung zu ge­hen, die ver­mut­lich – wie ich zuvor/zunächst im Nach­rich­ten­dienst Whats­App kund­tat – doch nur ei­ne PR-Ver­an­stal­tung oh­ne viel Sub­stanz sein wer­de. Die Whats­App Grup­pe hat mich dann doch zum Kom­men über­re­det (soll hei­ßen: mo­ra­lisch ge­nö­tigt).

Eben in die­ser Grup­pe wur­de nach der Ver­an­stal­tung von ei­ner Teil­neh­me­rin auf die Fra­ge ei­ner Nicht­teil­neh­me­rin (»C.: Schreibt mal, was raus­ge­kom­men ist«) auch ein Re­sü­mee ge­zo­gen, das letzt­end­lich die Ver­an­stal­tung auf den Punkt bringt: »Na­ja­aaa, viel wol­len... Nix Kon­kre­tes, Ge­duld... Aber wir blei­ben dran und ak­tiv... C.: Al­so hat­te Alex­an­der doch recht« – Na klar, wie im­mer ;-). – Da­bei könn­te man es be­las­sen, was zeigt, dass Kurz­nach­rich­ten in al­ler Re­gel mehr als aus­rei­chend sind, um sol­che Ver­an­stal­tun­gen hin­rei­chend zu be­schrei­ben. Die mor­gend­lich-son­ni­ge Gu­stav­stra­ße am Fol­ge­tag ver­lei­te­te mich da­zu, doch noch ein paar Zei­len mehr zu schrei­ben.

Pro­nold in Fürth

Veranstaltung am 13. April 2015 im Kulturforum. (Foto: Alexander Mayer)

Ver­an­stal­tung am 13. April 2015 im Kul­tur­fo­rum.
(Fo­to: Alex­an­der May­er)

Im­mer­hin: ei­nen leib­haf­ti­gen Staat­s­e­kre­tär hat­te der ört­li­che SPD-Ab­ge­ord­ne­te Car­sten Trä­ger zum The­ma Gu­stav­stra­ße nach Fürth ins Kul­tur­fo­rum ge­lockt. Flo­ri­an Pro­nold, ur­sprüng­lich aus Rot­tal-Inn, ist seit 2009 Lan­des­vor­sit­zen­der der Baye­ri­schen SPD und seit De­zem­ber 2013 par­la­men­ta­ri­scher Staats­se­kre­tär im Bun­des­um­welt- und ‑bau­mi­ni­ste­ri­um. Über­re­gio­na­le Blät­ter mei­nen, Pro­nold sei ein Mu­ster­bei­spiel für Po­li­ti­ker­kli­schees. Tat­säch­lich brach­te er kaum kon­kre­te Bot­schaf­ten mit, im­pro­vi­sier­te über ein neb­li­ges Nichts so lang­wie­rig mit Wort­hül­sen, dass sich selbst der Ge­nos­se Scheu­en­stuhl ver­an­lasst sah, dies vor dem Ple­num zu ent­schul­di­gen.

Nach ei­ner vor­aus­ge­gan­ge­nen in­ter­nen Be­spre­chung (un­ter »Fach­leu­ten«) brach­ten Pro­nold und Ge­nos­sen dem teil­wei­se ge­neig­ten Pu­bli­kum le­dig­lich zwei brauch­ba­re Bot­schaf­ten mit, er­stens: Im Bun­des­um­welt­mi­ni­ste­ri­um wer­de bis zur Som­mer­pau­se et­was ge­tan (er­staun­lich!). Was ge­nau, da­zu konn­te oder woll­te er kei­ne Aus­kunft ge­ben. Zwei­te Bot­schaft: der Bund al­lei­ne kön­ne es nicht rich­ten, der Frei­staat müs­se mit­zie­hen (wer hät­te das ge­dacht?).

Das Schweigen der Gäste... Zukunft in der Gustavstraße? (Foto: Alexander Mayer)

Das Schwei­gen der Gä­ste... Zu­kunft in der Gu­stav­stra­ße?
(Fo­to: Alex­an­der May­er)

Nach­dem über die­se ma­ge­ren Bot­schaf­ten zwei Stun­den rou­ti­niert, aber we­nig va­ri­an­ten­reich im­pro­vi­siert wur­de, en­de­te die Ver­an­stal­tung in ei­ner (so mein­te zu­min­dest mein Platz­nach­bar, ein an­son­sten un­po­li­ti­scher Be­ob­ach­ter) »ge­gen­sei­ti­gen Selbst­be­weih­räu­che­rung der an­we­sen­den SPD-Po­li­ti­ker«. Ich er­gän­ze die­se Ein­schät­zung durch die si­cher­lich be­rech­tig­te Kla­ge u.a. sei­tens MdB Car­sten Trä­ger, dass aus den zu­stän­di­gen Mi­ni­ste­ri­en in Mün­chen trotz Ein­la­dung nie­mand ge­kom­men sei. Un­er­wähnt blieb dem­ge­gen­über, dass der in der Sa­che en­ga­gier­te grü­ne MdL Mar­kus Gan­se­rer gar nicht erst ein­ge­la­den wur­de, was die­ser be­dau­er­te.

Den kon­struk­tiv­sten Bei­trag der gan­zen Ver­an­stal­tung lei­ste­te Klaus Fleisch­mann, ein Bür­ger aus Ron­hof: »Die Stadt Fürth soll ein Ge­bäu­de an der The­re­si­en­wie­se in Mün­chen kau­fen und dann ge­gen das Ok­to­ber­fest kla­gen – die Po­si­ti­on der CSU und die Ge­set­zes­la­ge wer­den sich dann sehr schnell än­dern.« – Ich weiß zwar nicht, ob sich die Stadt Fürth ein Haus oder Grund­stück an der The­re­si­en­wie­se lei­sten kann, aber wenn ja, dann soll­te die­ser ziel­füh­ren­de Vor­schlag wei­ter­ver­folgt wer­den.

Of­fe­ne Fra­gen

Was wä­re zu er­war­ten ge­we­sen? Nun, es wä­re doch zum Bei­spiel in­ter­es­sant ge­we­sen, wenn Pro­nold sich da­zu ge­äu­ßert hät­te, war­um baye­ri­sche Ge­rich­te die TA Lärm kon­se­quent igno­rie­ren. Im­mer­hin ist die TA Lärm ei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift des Bun­des, die durch die Ein­bet­tung in das Bun­des­im­mis­si­ons­ge­setz qua­si Ge­set­zes­kraft zu­kommt. In die­ser TA Lärm ist gleich im er­sten Ab­satz un­ter der Über­schrift »An­wen­dungs­be­reich«« zu le­sen, dass die TA Lärm aus­drück­lich nicht für Frei­luft­gast­stät­ten gilt. Wer es nicht glaubt, le­se es nach (TA Lärm Nr. 1, Satz 2, Buch­sta­be b). Was ist das für ei­ne Recht­spre­chung, die mit dem la­pi­da­ren Hin­weis, es ge­be halt nichts an­de­res, Tei­le an­son­sten bin­den­der Vor­schrif­ten über­geht? Was ist das für ein Mi­ni­ste­ri­um, das so et­was hin­nimmt? – Ganz ab­ge­se­hen da­von: War­um gilt die TA Lärm nicht für den Ver­kehr als mit gro­ßem Ab­stand ge­sund­heit­lich be­denk­lich­ste Lärm­quel­le? Macht sich der Ge­setz­ge­ber mit sol­chen Ali­bi-Re­ge­lun­gen nicht lä­cher­lich? Auf sol­che of­fen­kun­di­ge Fra­gen – die auch von den Re­fe­ren­ten teil­wei­se selbst an­ge­schnit­ten, aber nicht be­ant­wor­tet wur­den – hät­te ich mir Aus­füh­run­gen und Er­klä­run­gen sei­tens des Staats­se­kre­tärs er­hofft.

Lärmpegel in der Gustavstraße vormittags. (Foto: Alexander Mayer)

Lärm­pe­gel in der Gu­stav­stra­ße vor­mit­tags. (Fo­to: Alex­an­der May­er)

Po­si­tio­nen der Mi­ni­ste­ri­en

Im­mer­hin ver­sprach Pro­nold ganz va­ge ei­nen Vor­schlag zur Über­ar­bei­tung ein­schlä­gi­ger Richt­li­ni­en bis zur Som­mer­pau­se (ich hof­fe, er mein­te 2015). Man darf ge­spannt sein. Vor al­lem des­we­gen, als der Au­tor die­ser Zei­len noch we­ni­ge Wo­chen vor Pro­nolds Dienst­an­tritt aus dem Mi­ni­ste­ri­um die de­fi­ni­ti­ve Mit­tei­lung er­hielt, dass ei­ne Än­de­rung der ein­schlä­gi­gen Richt­li­ni­en in Bund und Bun­des­tag auf kei­ner po­li­ti­schen Agen­da ste­he. »Re­gie­run­gen kom­men und ge­hen, Ver­wal­tung bleibt be­stehen«, ein ge­flü­gel­tes Wort bei Po­li­to­lo­gen und Staats­wis­sen­schaft­lern. Wie sol­len lei­ten­de Be­am­te des Mi­ni­ste­ri­ums um­ge­stimmt wer­den? Vor al­lem da sie durch­aus nach­voll­zieh­ba­re Ar­gu­men­te vor­brin­gen: Er­stens sei die TA Lärm als Bun­des­vor­schrift hier nicht an­zu­wen­den (sie­he oben). Zwei­tens ver­wei­sen sie auf das fö­de­ra­le Grund­prin­zip der Bun­des­re­pu­blik, soll hei­ßen, dass der Bund ge­ne­rell nicht in Din­ge ein­grei­fen soll, die auf Lan­des­ebe­ne ge­re­gelt wer­den kön­nen (»Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip«), was in die­ser An­ge­le­gen­heit ein­deu­tig der Fall ist. Wo­mit wir beim chro­ni­schen baye­ri­schen Land­tags­de­sa­ster und des­we­gen wie­der­um beim ein­zig kon­struk­ti­ven Vor­schlag vom Bür­ger Klaus Fleisch­mann aus Ron­hof wä­ren.

Aber auch vom zu­stän­di­gen baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­um lie­gen mir an­läss­lich mei­ner nach wie vor nicht ab­schlie­ßend be­han­del­ten Pe­ti­ti­on Brie­fe vor, die tief blicken las­sen. In ei­nem – schon fast pro­nold­schen – Schrei­ben be­schei­den mir die Her­ren des Staats­mi­ni­ste­ri­ums, dass er­stens die von mir ge­for­der­te Son­der­re­ge­lung für »Ge­bie­te mit tra­di­tio­nel­ler Wirts­haus­kul­tur« des­we­gen nicht ein­ge­führt wer­den kön­ne, weil dies ein »un­be­stimm­ter« Rechts­be­griff sei. Be­son­ders aus­führ­lich und ein­dring­lich wird zu­dem dar­ge­legt, dass Frei­schank­flä­chen in der Gu­stav­stra­ße kei­nes­falls mit Bier­gär­ten als kul­tu­rel­le Be­son­der­heit Mün­chens und Ober­bay­erns (»Bier­kul­tur­er­be«) ver­gli­chen und folg­lich auch nie­mals gleich­ar­ti­ge Re­ge­lun­gen ge­schaf­fen wer­den könn­ten. Ei­ne ge­ne­rel­le Über­tra­gung der Bier­gar­ten­ver­ord­nung auf Frei­schank­flä­chen kom­me so­mit über­haupt nicht in die Tü­te, so das zu­stän­di­ge Baye­ri­sche Staats­mi­ni­ste­ri­um.

Der Artikel entstand auf einer Freischankfläche in der Gustl... (Foto: Tourist aus Massachusetts, USA)

Der Ar­ti­kel ent­stand auf ei­ner Frei­schank­flä­che in der Gustl... (Fo­to: Tou­rist aus Mas­sa­chu­setts, USA)

Na­tur­ge­mäß ver­ges­sen die Be­am­ten zu er­wäh­nen, dass von ei­ner ge­ne­rel­len Gleich­stel­lung von Frei­schank­flä­chen nie die Re­de war, son­dern von ei­ner sol­chen in Be­rei­chen mit tra­di­tio­nel­ler Wirts­haus­kul­tur – wie eben die Gu­stav­stra­ße, in der seit dem Mit­tel­al­ter die Ga­stro­no­mie do­mi­niert. Auch bleibt ge­flis­sent­lich un­er­wähnt, dass der Land­tag als Ge­setz­ge­ber aus dem un­be­stimm­ten Rechts­be­griff »Be­rei­che mit tra­di­tio­nel­ler Wirts­haus­kul­tur« ei­nen be­stimm­ten ma­chen könn­te – wenn er denn woll­te.

Im­mer­hin, hier hat­te Pro­nold recht: der Ball liegt in Bay­ern und da­mit bei der CSU. Ab­spie­len er­wünscht, Ei­gen­to­re nicht.

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3 Kommentare zu »Hei­ße Luft um die Gu­stav­stra­ße«:

  1. Andrea Pohl sagt:

    Groß­ar­tig ge­schrie­ben! Ap­plaus da­für!

  2. Thomas Bahlinger sagt:

    Ja, sehr rich­tig: hei­ße Luft! Mir kommt das al­les be­kannt vor. Bei mir im Vor­ort hat der Frei­staat ei­nen Bahn­hof der­art ver­korkst um­ge­baut, dass ein Gleis vom Wohn­ge­biet ab­ge­schnit­ten wur­de und nur noch mit ei­ner le­bens­ge­fähr­li­chen Stra­ßen­que­rung er­reicht wer­den kann. Der schwar­ze Pe­ter wird seit­her vom Bund zum Land und wie­der zu­rück ge­schickt. Die Po­li­ti­ker ga­ben sich die Eh­re uns spra­chen den Bür­gern Mut zu, si­mu­lier­ten Zu­stim­mung und Tat­kraft, ver­spra­chen sich ein­zu­set­zen. Ge­sche­hen ist bis­her: NICHTS.

    Ich wün­sche den Für­thern viel Er­folg und bin ge­spannt, wie es wei­ter­geht.

  3. thostei sagt:

    Ei­ne Zu­sam­men­fas­sung der Ver­an­stal­tung ist hier zu fin­den.

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