»Denkmalstadt Fürth« – Geht der kommerziell getriebene Kahlschlag weiter?
16. Januar 2018 | von Thomas Heyden | Kategorie: HäuserkampfStellungnahme von Wir sind Fürth e. V. zur Präsentation von P&P im Bau- und Werkausschuss am 17. Januar 2018
Nun liegen die Pläne von P&P für die Revitalisierung des City-Centers auf dem Tisch. Am 17. Januar werden sie den Stadträten im Bau- und Werkausschuss vorgestellt.
Nach den Erfahrungen mit der Neuen Mitte wäre ein entwickeltes Problembewusstsein bei den Verantwortlichen auf Seiten der Stadt zu erwarten gewesen. Die Freude, dass sich P&P des Problemkindes annimmt, scheint jedoch ganz offensichtlich alle Vorsicht und jeden Weitblick auszuschalten. Anders ist nicht zu erklären, dass die Zeichen bei der »Flair Galerie Fürth« auf eine geschlossene Mall mit rund 25.000 Quadratmeter Verkaufsfläche hindeuten. Die vorgelegten Pläne (Download als PDF-Datei) zeigen ein autarkes Center, das sich durch den Wegfall von Zugängen noch stärker als das alte von seiner Umgebung abschottet. Vorne rein, hinten raus und der Einzelhandel außen herum schaut in die Röhre. Das Prinzip der Gewinnmaximierung des Investors, auf Kosten der restlichen Innenstadt, hat sich offensichtlich durchgesetzt.
Hat die Stadt aus den Diskussionen um Sonae Sierra wirklich nichts gelernt? Der Eindruck drängt sich auf, dass Fürth wieder einmal nur tatenlos zuschaut, wie ein Investor plant. Hat man seine Lektion noch immer nicht verinnerlicht? Wir vermissen die entscheidende Frage: Wie viel zusätzliche Einzelhandelsfläche braucht Fürth tatsächlich noch? Oder anders gefragt: Wie viel Fläche verkraftet Fürth noch? Eine Frage, die durchaus legitim ist – wie man am Beispiel der Stadt Nürnberg sehr gut sehen kann. Trotz der Bestrebungen des Investors beschränkt die Stadt bewusst die Verkaufsfläche im ehem. Quelle-Versandhaus an der Fürther Straße auf 14.000 Quadratmeter statt der gewünschten 40.000 Quadratmeter – eben zum Schutz des Innenstadthandels. Unter den Vorzeichen des boomenden Internet-Handels verschärft sich zusätzlich die Problematik. Was nutzt am Ende ein vermeintlich gut laufendes Einkaufszentrum in der Fürther Innenstadt, wenn im Anschluss die Fußgängerzone abgehängt wird und mit Leerstand »glänzt«? Die von P&P geleistete Generalüberholung bedarf deshalb auf verschiedenen Ebenen der kommunalen Regie und Moderation.
Allein rund 3.000 Quadratmeter (das ist die doppelte Fläche der ehemaligen Grünen Halle) entfallen auf Gastronomie. Bereits jetzt ist in der Fußgängerzone zu beobachten, dass fast jeder geschlossene Einzelhandelsladen durch Gastronomie ersetzt wird. Hier wäre deshalb zu prüfen, wie sich diese Größenordnung mit den Plänen für den neuen, unweit gelegenen Wochenmarkt verträgt, der ja ebenfalls einen starken gastronomischen Akzent erhalten soll. Kann in Fürth grenzen- und pausenlos schnabuliert werden?
Wir sind Fürth e. V. bringt seine Bestürzung darüber zum Ausdruck, dass zwei historische Gebäude aus dem Jahr 1798 in der Schwabacher Straße der Neugestaltung der Eingangssituation zum Opfer fallen sollen. Alle drei Entwurfsvarianten zerstören die Einheitlichkeit der Häuserzeile zwischen Schirm- und Alexanderstraße. Mögen die Häuser als einzelne eher bescheiden sein, so gewinnen sie zusammen jene Qualität, die der Denkmalschutz mit dem Begriff des Ensembles kennzeichnet. Die Fränkischen Provinzial-Blätter wussten, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, als sie 1802 über die betreffenden Häuser schrieben: »Sie stehen in einer Linie, haben alle einerley Höhe, drey Stockwerke, einerley Fenster und Dächer, und scheinen ein einziges Ganzes auszumachen. Man glaubt, von einem gewissen Standpunkte aus, ein prächtiges Schloß zu sehen.«
Hatte der alte City-Center-Eingang dieses Ensemble zumindest in den Obergeschossen unangetastet gelassen, so reißen die P&P‑Entwürfe eine marktschreierische Lücke in den Straßenzug, der die Schwabacher Straße kurz vor dem Kohlenmarkt entwertet. Wir sind Fürth e. V. fordert deshalb den Erhalt der historischen Fassaden. Den Niedergang des alten Centers mit der Unauffälligkeit der Zugänge erklären zu wollen, greift unseres Erachtens zu kurz. Man zeige uns die Fürther, die den Weg ins City-Center nicht gefunden hätten! Deshalb fordert Wir sind Fürth e. V.:
- Begrenzung der Verkaufsfläche auf ein für die Innenstadt verträgliches Maß
– Weitestgehender Erhalt der denkmalgeschützten Gebäude
– Öffnung des Centers zur Innenstadt – keine geschlossene Mall
Dr. Thomas Heyden
1. Vorsitzender Wir sind Fürth e. V.
Vielen Dank für den guten Artikel – der mir schockierende Neuigkeiten über die Planungen in Fürth gibt.
Was soll man sagen – die Fürther geben sich alle Mühe, die besondere Identität ihrer Stadt zu zerstören. Das sage ich als Nürnbergerin, die die Stadt Fürth über alles liebt!
Eben weil sie so atmosphärisch einzigartige Sandstein-Ensembles besitzt – die auf den ersten Blick bescheiden erscheinen, bei näherem Hinsehen aber individuell und einzigartig sind! Und das ist genau das Flair, das Menschen nach Fürth zieht.
Das, was nun geplant ist, könnte überall stehen. Wer braucht diese zusätzlichen Einkaufskapazitäten? Niemand. Es sind jetzt bereits zu viele Verkaufsflächen in den Städten. Also letzten Endes ist das eine sinnlose Zerstörung von Substanz.
Irma Stolz
Pressespiegel: »City-Center wird »Flair Galerie« mit üppigem Eingang« (FN)
»Man glaubt, von einem gewissen Standpunkte aus, ein prächtiges Schloß zu sehen.« Eine hübsche und durchaus zutreffende Beschreibung. Eine ähnlich schöne Sichtachse bildeten die Wölfel-Häuser ... das war einmal. Wäre man böswillig, könnte man vermuten, dass die Bürger nur noch ein Gebäude der Stadt wie ein Schloss sehen sollten: das Rathaus – selbstverständlich mit der dazu nötigen »Ehrerbietung« für die »Herrschenden«.
»Beherrscht« wird ja gerne mal »via Volksverdummung«. In diesem Fall wird z.B. schon seit Monaten öffentlich behauptet, dass Ortsunkundige den Zugang zum Center nicht gefunden hätten.
Aber – Vorsicht bei Kritik in manchen Medien! Amüsiert man sich über diesen Blödsinn und ähnliche die Bürger verdummende Argumente zu sehr – und nach Meinung der Redaktion zu oft – z. B. in Kommentaren zu Online-Artikeln der FN, kann’s passieren, dass »der User von der Redaktion gesperrt« wird, wie man beim nächsten Login-Versuch zu lesen bekommt. Das glauben Sie nicht, liebe Leser? Bis es mir selbst passiert ist, hätte ich auch jeden für einen »Verschwörungstheoretiker« gehalten, der mir solche Vorgänge erzählt hätte.
Schön, dass man hier noch schreiben darf, was an der Fürther Politik auffällt ... und dass hier auch kontroverse Meinungen »erlaubt« sind.
Die Anforderung der Investoren nach Eingangssichtbarkeit verstehe ich aus meinen vielfältigen Besuchen von Einkaufszentren in deutschen Städten. Es sollte jedoch im Falle der einmaligen, komplexen Sandsteinfassaden in Fürth ein akzeptabler Kompromiss gefunden werden.
Für mich würde sich z.B. ein Vorbau aus Glas anbieten, der letztlich die Fassaden noch erkennen läßt und trotzdem das Einkaufszentrum bewirbt. Selbst wenn dieser in die Schwabacher Straße ragt, wäre es für mich ein akzeptabler Kompromiß.
Tja, man macht sich also Gedanken ... hier auf dieser Seite ... welche Lösungen für die Eingänge und den Gesamtbau besser wären ...
Wie ******egal der Stadt Fürth und dem Investor sowohl die Schönheit der Bausubstanz als auch die Meinung der Bürger ist, ist an den neuesten Verlautbarungen zu erkennen.
»Im Umbruch: Fürther City-Center wird zum ‘Flair’ « heißt es aktuell in den Fürther Nachrichten. Und man erfährt u.a., dass P&P nicht nur das Innenleben einreißt und einen denkmalverschandelnden Eingang bauen will, sondern auch ein Hotel statt des Königstraßen-Abschnitts des alten City-Centers plant.
Spätestens jetzt fühle ich mich in meiner Vermutung bestätigt, dass P&P wohl (mindestens) ein Auge auf das Stammhaus des Schliemann-Gymnasiums geworfen hatte und nun, wegen der Ungewissheit der Schulverlagerung, »einfach« gegenüber das verwirklicht, was geplant war.
Nun, dann könnte man ja die städtische Augenwischerei in puncto Schliemann, Feuerwache etc. samt aller angeblichen »Spontanaktionen« dazu jetzt sein lassen...
... man kommt den jüngsten Nachrichten kaum mit dem Schreiben nach ;-)
Im Ernst: Meine Befürchtung war also nicht unbegründet – nun ist wohl das Schliemann-Gymnasium am angestammten Ort tatsächlich dem Untergang geweiht. In seine Ankündigung, 2020 wieder als OB-Kandidat antreten zu wollen, verpackte Herr Jung die Mitteilung, es würde in der Zeit danach »ein neues Schliemann-Gymnasium« geben. Dass er damit das dann für schulische Zwecke renovierte Stammhaus meint, können nur ausgemachte Optimisten glauben.
Was mir an dieser Ankündigung v. a. missfällt, ist diese arrogante Art des Herrn Jung, Diskussion und evtl. Widerspruch, im Stadtrat und in der Bevölkerung, durch selbstherrlichen »Ankündigungs-Alleingang« unmöglich machen zu wollen. Solcher Absicht und solchem Vorgehen sollte Einhalt geboten werden.