Denkmalstadt mit Trauerflor
9. Oktober 2014 | von Alexander Mayer | Kategorie: HäuserkampfEin Trauerflor ziert seit über einem Jahr das »Denkmalstadt Fürth«-Schild am Frankenschnellweg. Zehntausende von Autos und entsprechend viele Auto- und Mitfahrer sehen täglich den Trauerflor und niemand wundert sich, geschweige denn: nimmt Anstoß daran. Warum auch?
Wer immer das Schild mit dem schwarzen Band versehen hatte oder bewusst gesehen hat, der wusste Bescheid über Fürth und die dortigen Vorgänge. Dem Autor – keineswegs der Täter, wie ich betonen möchte – ist der Trauerflor sofort aufgefallen und der Zusammenhang war leider leicht zu erraten: Die Denkmalstadt Fürth hatte kurz zuvor eine offensichtlich rechtswidrige Abrissgenehmigung für den Festsaal des Parkhotels erteilt.
Das Band für Fürth
Die Geschichte kann zwar als bekannt vorausgesetzt werden, aber sie sei nochmals kurz zusammengefasst. Im Mai 2013 erließ die Stadt Fürth eine Abrissgenehmigung für den historischen Festsaal des Parkhotels. Die Verantwortlichen waren schon frühzeitig darauf hingewiesen worden, dass dieser Bescheid rechtswidrig ist. Aber die maßgeblichen Kreise wussten gleichzeitig, dass von den sehr wenigen Klageberechtigten – nur direkte Anlieger – keiner klagen würde und die Regierung von Mittelfranken kaum einschreiten werde. Obwohl selbst das zuständige Ministerium die Rechtswidrigkeit feststellte, wurde die Sache dennoch vollzogen, als sei alles in Ordnung.
OB Jung, Jurist und früher in der Rechtsprechung tätig, kommentierte die ministerielle Einschätzung, der zufolge der Bescheid seiner Stadtverwaltung rechtswidrig sei, mit sage und schreibe: »Interessante Ausführungen«. – Donnerwetter! Die Macht des Faktischen geht wohl allemal über den Rechtsstaat? Zumindest in Fürth, das sich offensichtlich als exterritoriales Gebiet in eben jenem Rechtsstaat versteht? Vorausgesetzt, es findet sich kein Kläger und somit auch kein Richter, dann lässt sich das kaltschnäuzige Durchgewurstel durchhalten. Auch der Investor MIB scheint nicht viel dabei zu finden, mit einem rechtswidrigen Bescheid zu arbeiten – vielleicht nicht das erste Mal, könnte man aus den abgebrühten Kommentaren zur Sache schließen: »Wir haben eine Genehmigung«. – Punkt und Basta.
Titelgewinn
Wie kam es überhaupt dazu, dass sich die Stadt selbst den Titel Denkmalstadt zuerkannte? Nachdem es selbst großen Denkmal-Ignoranten auffallen muss, dass es in Fürth ziemlich viel altes Gemäuer gibt, wurde im Jahre 2003 eine Denkmalzählung veranlasst. Dazu wäre eigentlich nur eine Anfrage beim Landesamt für Denkmalpflege notwendig gewesen, aber dann hätte das Ergebnis vielleicht nicht ganz gepasst. Also wurde selbst gezählt und indem man jedes Mauseloch mitzählte, kam Fürth auf die stattliche Zahl von 1985 Baudenkmälern und damit auf 17,7 Denkmäler pro 1000 Einwohner, was Platz 1 aller bayerischen und Platz 4 aller bundesdeutschen Großstädte ausmachen würde.
Der Trick: Gezählt wurde im Gegensatz zu anderen Kommunen nach Hausnummern und nicht nach Gebäuden, woraus sich die Abweichung zur Zählung des Landesamtes ergibt, in der derzeit für Fürth »nur« 1703 Baudenkmäler aufgeführt sind. Abgesehen davon sind Zählungen vor allem im Ruhrgebiet oder auch in Hamburg (mit über 2100 Ensembles, in denen keine Einzeldenkmäler gezählt wurden) nicht vergleichbar, womit die Rangliste prinzipiell zu problematisieren ist (wäre). Wenn man darüber hinwegsieht, aber die korrekte Zählung des Landesamtes zum Maßstab macht, ergibt sich bei 14,2 Denkmäler pro 1000 Einwohner immer noch Platz 6 in der Bundesrepublik – wenn auch dicht verfolgt von Aachen, Wolfsburg und Halle – und weiterhin Platz 1 in Bayern. Ergo: Die Quantität, die Anzahl gibt sehr wohl den Titel »Denkmalstadt« her. Auch die Qualität der Baudenkmäler – wenn auch wenige Monumentalbauten – ist und bleibt beachtenswert. Nicht nur in Fachkreisen sind aber gerade im letzten Jahr erhebliche Zweifel aufgetreten, ob denn auch der Geist in Fürth dem Anspruch genüge tut?
Denkmalstadt, nicht Denkmalschutzstadt
Joachim Krauße, Baureferent und williger Technokrat seines Herrn, hatte schon vor Jahren die Problematik sicher erkannt und den für Fürth passenden Ausspruch geprägt: »Es heißt Denkmalstadt, nicht Denkmalschutzstadt«.
Jüngst beklagte er sich intern darüber, wie unüberlegt man sich 2004 in der Euphorie über die Statistik diesen Titel zugelegt habe, womit sich die Stadt alle möglichen Schwierigkeiten in der Glaubwürdigkeit einhandelte. – Wie wahr, wie wahr.
Nach den Vorgängen des Jahres 2013 konnte ich auf einer Tagung hören, »Denkmalstadt Fürth« sei wohl so zu verstehen: »Mit dem Schwanz wedeln und den Hund schlachten«. Tatsächlich wird der Titel in Fürth – namentlich von OB Jung – in erster Linie als PR-Gag verstanden, der aber jederzeit zur Disposition gestellt werden kann. Vor allem dann, wenn ein Investor das mitbringt, was die Politik in Fürth nicht zu bieten hat: Geld und Ideen. Oder wenn aus populistischer Sicht wieder einmal »der Bürger vor dem Denkmalschutz geschützt« werden muss. Selbst der klagewütige Herr aus der Gustavstraße wurde von OB Jung vor dem Denkmalschutz geschützt, wie der OB in diesem einen Falle ausnahmsweise reumütig einräumte.
Zuwächse über Zuwächse
Trotz aller Peinlichkeiten konnte das Thema Denkmalstadt auch im Wahlkampf nicht völlig ausgeblendet werden, wobei den Kennern der Materie ausnehmend starker Tobak serviert wurde. Schon im Januar 2014 ließ OB Jung vernehmen, dass Fürth in seiner Amtszeit über 100 Baudenkmäler »dazugewonnen« habe und auf einer Veranstaltung im Vorfeld der Kommunalwahl setzte er noch eins drauf und meinte, dass er sich das selbst zurechnen könne, weil der Zuwachs in seiner Amtszeit erfolgt sei. Einmal abgesehen davon, dass der Bau dieser Baudenkmäler sicherlich außerhalb der Amtszeit Jungs erfolgte, waren damit 93 Baudenkmäler gemeint, die das Landesamt für Denkmalpflege seit 1985 (!) nachgetragen hatte. Auf Bitten des Landesamtes hat dann der Stadtrat im Jahre 2003 das »Benehmen« zu diesen Einträgen hergestellt, was aber für die Rechtswirksamkeit der Eintragung nach Auskunft des Landesamtes nicht notwendig war. Die Stadt Fürth hat im Übrigen von sich aus bisher nie angeregt, auch nur ein Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, zumindest konnte sich niemand, auch nicht der befragte dienstälteste Mitarbeiter im Bauamt (inzwischen pensioniert), an so einen Vorgang erinnern. Und das, obwohl es sich oft geradezu aufdrängt, man denke nur an das Mosaik in der Turnstraße.
Noch »besser« wird die Mär allerdings, wenn man sich einen Artikel in der NZ vom 28. Juni 2014 zu Gemüte führt, Titel: »OB Jung zur Kritik des ehemaligen Heimatpflegers: Fürth bleibt die Denkmalstadt«. Nicht nur dem Autor dieser Zeilen ist dort diese besonders hübsche Passage aufgefallen: »Jung verspricht, dass der Denkmalschutz in Fürth weiterhin einen hohen Stellenwert genießen werde – schließlich habe er (sic!), zusammen mit Mayer, Fürth als »Denkmalstadt« positioniert.« – da bleibt einem die Spucke weg. Wo, wann und wie hat Jung denn die Denkmalstadt »positioniert«? Ah doch, ich vergaß: auf Schildern an der B 8 und der A 73. Dort steht die Denkmalstadt gut.
Weiter geht’s: »Stadtmuseum nicht mehr auf bayerischer Denkmalliste« (nordbayern.de)
(Artikel basiert auf Rundbrief Nr. 92 )
Wenn wir schon dabei sind, folgende Nachträge:
»Neue Mitte: Vier Baudenkmäler purzeln von der Denkmlalliste« (nordbayern.de, Artikel basiert auf Rundbrief Nr. 87)
»Verlust der Denkmaleigenschaft für Gebäude war schon früh absehbar« (nordbayern.de, Artikel basiert auf: Krumme Balken in der Neuen Mitte)