Für­ther Fuß­bal­ler-Le­gen­den er­in­nern sich

14. November 2010 | von | Kategorie: Sport

Letz­te Wo­che fand im Stadt­mu­se­um Lud­wig Er­hard ei­ne von der Deut­schen Aka­de­mie für Fuß­ball-Kul­tur in­iti­ier­te Po­di­ums­dis­kus­si­on ann­läss­lich des 100-jäh­ri­gen Ju­bi­lä­ums des Sport­parks Ron­hof statt.

An der Ge­sprächs­run­de nah­men die bei­den Ex-Spie­ler Ernst Sie­ber und Pe­ter Lö­wer so­wie SpVgg-Vi­ze-Prä­si­dent Ed­gar Bur­kart teil. Und das Trio wuss­te, wie es das Pu­bli­kum be­gei­stern konn­te. Ge­spannt lausch­ten die rund 100 Zu­hö­rer im Pu­bli­kum den Ge­schich­ten und An­ek­do­ten aus der Zeit, in der der Ron­hof noch rund und die Greu­ther noch ein Kon­kur­rent im frän­ki­schen Fuß­ball­ge­sche­hen wa­ren. Jür­gen Schmidt, Au­tor (u.a. »Let’s go Greu­ther Fürth«, »Das Klee­blatt – 100 Jah­re Fuss­ball im Für­ther Ron­hof«) und Klee­blatt-Ar­chi­var, war eben­falls mit da­bei und sorg­te mit sei­nen Kom­men­ta­ren für die nö­ti­gen Hin­ter­grund­in­fos.

Zu­nächst be­gann die Run­de in der An­fangs­zeit des Für­ther Fuss­ball­ge­sche­hens. Da zu die­ser Zeit noch kei­ner der An­we­sen­den ge­bo­ren war, über­nahm Jür­gen Schmidt mit sei­nem Fach­wis­sen die Er­läu­te­run­gen und roll­te die Ge­schich­te der SpVgg und sei­ner Spiel­stät­te neu auf. Ed­gard Bur­kart krön­te das gan­ze noch mit dem Hin­weis, das in Wahr­heit die SpVgg Fürth der ein­zi­ge Re­kord­mei­ster ist, denn im­mer­hin war man zwi­schen 1914 und 1920 gan­ze sechs Jah­re am Stück Deut­scher Mei­ster. Das schaff­te bis­her kein an­de­rer Ver­ein.

In den 30er Jah­ren an­ge­kom­men, kling­te sich dann Ernst Sie­ber mit ein. Der im Jahr 1920 ge­bo­re­ne Ex-Stür­mer wuchs in die­ser Zeit auf und schil­der­te an­schau­lich die An­fän­ge sei­ner per­sön­li­chen Fuss­bal­ler­kar­rie­re und sei­ne spä­te­re Ent­deckung durch ei­nen »Spä­her« der SpVgg. Aber zu­nächst fing er in sei­ner Kind­heit an, als die Nach­wuchs­kicker noch mit Schlap­pen be­klei­det ver­such­ten ein ball­ar­ti­ges Ob­jekt in die als To­re her­hal­ten­den Kel­ler­lö­cher zu buch­sie­ren. Den »Fuß­ball in sei­ner gan­zen Tie­fe« lern­te Sie­ber dann spä­ter am Schieß­an­ger ken­nen, als die Aus­wahl­mann­schaf­ten Fürths in ei­ner ei­ge­nen Stadt­teil­li­ga ge­gen­ein­an­der an­tra­ten. Der heu­te 90-jäh­ri­ge wies ei­nen enor­men Er­in­ne­rungs­schatz auf und zog die Zu­hö­rer mit sei­nen An­ek­to­den in sei­nen Bann. Nur an sei­ne er­ste Sta­ti­on bei ei­nem rich­ti­gen Fuss­ball­ver­ein woll­te er sich dann aber zu­nächst nicht er­in­nern. Aber da es sich beim Reichs­bahn SV um ei­nen Nürn­ber­ger Ver­ein han­del­te, wohl auch ver­ständ­lich. Spä­ter wech­sel­te er zum TV Fürth 1860, wo er un­ter der Für­ther Fuss­bal­ler­le­gen­de An­dre­as Franz wei­ter ge­formt wur­de. Mit 19 wech­sel­te er dann nach sei­ner Ent­deckung zur SpVgg, wo er nach sei­nen er­sten Ta­gen vom da­ma­li­gen Trai­ner Hans Ha­gen mit den Wor­ten »al­so Du bist bei uns, Du bist drin in der Mann­schaft« of­fi­zi­ell auf­ge­nom­men wur­de und sich schnell zum Stamm­spie­ler und spä­te­ren Klas­se­stür­mer ent­wickel­te. Aber nicht nur sport­li­chen Auf­stieg fand er beim Klee­blatt, son­dern auch sein pri­va­tes Glück, als er im Um­feld des Ver­eins sei­ne spä­te­re Frau, ei­ne Hand­bal­le­rin, ken­nen­lern­te. Wei­te­re Ge­schich­ten führ­ten die Zu­hö­rer über sei­ne Zeit als Sol­da­ten­aus­wahl­spie­ler bis in die 50er Jah­re, als er in der Nach­kriegs­zeit wie­der zum Klee­blatt zu­rück­kehr­te und sei­ne Kar­rie­re fort­setz­te. Sei­ne Nä­he zum Ver­ein un­ter­strich Sie­ber nach sei­nem Vor­trag mit den Wor­ten »das ist mei­ne Le­bens­ge­schich­te – mein Fuss­ball und mei­ne Hand­ball­da­me«.

In den 50ern an­ge­kom­men über­nahm dann Ed­gar Bur­kart das Wort und schil­der­te, wie er da­mals zur SpVgg kam. »Ein Freund, des­sen Va­ter ein be­gei­ster­ter Fuss­ball­fan war, er­zähl­te mir, daß da im Ron­hof ein gro­ßes Spiel ist – und da hab’ ich so lan­ge rum­gewercht da­heim, bis ich mit de­nen mit­ge­durft hab«. Es war das Spiel 1951 ge­gen Kai­sers­lau­tern vor rund 30.000 Zu­schau­ern, das Bur­kart mit dem weiß-grü­nen Vi­rus in­fi­zier­te. »Das war ein ein­ma­li­ges Er­leb­nis – da hab ich ge­sagt, ab dem Tag ab, da gefällt’s mir und dann bin ich je­den Sonn­tag rü­ber – bis heut«. Die ganz gro­ße Zeit des Für­ther Fuß­balls hat Bur­kart zwar nicht mit­er­lebt, da­für aber ei­ne bis zur Ein­füh­rung der Bun­des­li­ga stets erst­klas­si­ge SpVgg Fürth. Das sich die SpVgg nicht für die neu ge­schaf­fe­ne ein­glei­si­ge Eli­te­li­ga qua­li­fi­zie­ren konn­te, be­grün­de­te er da­mit, daß da­mals wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen im Vor­der­grund stan­den und aus je­der Wirt­schafts­re­gi­on ein Ver­ein teil­nahm. So muss­te in Fran­ken Fürth den Nürn­ber­gern wei­chen, in Mün­chen bei­spiels­wei­se er­hielt der TSV 1860 den Vor­zug ge­gen­über dem FC Bay­ern und in Ham­burg ging der HSV als Grün­dungs­mit­glied der Bun­des­li­ga in die Ge­schich­te ein und der FC St. Pau­li kam nicht zum Zu­ge.

Fürth war An­fang der 60er Jah­re al­so zweit­klas­sig. Im er­sten Jahr tauch­te ein neu­er Na­me beim Klee­blatt auf. Pe­ter Lö­wer wag­te als ge­bo­re­ner Nürn­ber­ger den Schritt über die Stadt­gren­ze und ar­bei­te­te sich über die zwei­te in die er­ste Mann­schaft hoch und ge­hör­te ab 1964 da­zu. In sei­ner Ju­gend­zeit spiel­te Lö­wer bei der SpVgg Fran­ko­nia Nürn­berg so­wie dem TSV Jo­han­nis 83 Nürn­berg und be­stritt zu­sam­men mit Gün­ter Net­zer und Gerd Mül­ler ei­ni­ge Ju­gend­län­der­spie­le. Auf die Fra­ge, wie er ins Tor kam, ant­wor­te­te er »ich hab’ kei­ne Ah­nung, mich hat kei­ner ge­fragt – mir wur­de ge­sagt, Du geh­s’t jetzt ins Tor«. Ein Glücks­fall, denn sein Ta­lent brach­te ihn auch schnell in Fürth zum Er­folg. Er er­hielt einst zur Aus­zeich­nung als be­ster Zweit­li­ga­tor­wart den »Sil­ber­nen Hand­schuh« und mach­te sich da­mit auch für an­de­re Ver­ei­ne in­ter­es­sant. »Ich hat­te vie­le An­ge­bo­te von an­de­ren Ver­ei­nen. Ich war ein­mal mit Bay­ern Mün­chen ei­nig und der 1. FC Nürn­berg war auch noch da. Und dann zum Schluss blieb ich bei der SpVgg«, sag­te er. »Du hast zur Mann­schaft ge­hört und Du hast Dei­nen Job ma­chen müs­sen. Ich hab mit et­li­chen Ver­ei­nen ver­han­delt, aber das Fi­nan­zi­el­le war gar nicht so maß­ge­bend«. Aber nicht nur die Ver­bun­den­heit zur Mann­schaft oder dem Ver­ein hiel­ten ihn let­zend­lich beim Klee­blatt. »Ich war in Mün­chen un­ten mit Bay­ern ei­nig und dann hat der Neu­decker ge­sagt, jetzt un­ter­schreibst Du. Da hab ich ge­sagt, das kann ich nicht – ich muss erst heim zu mei­ner Frau und fra­gen«. Letzt­end­lich blieb Lö­wer al­so in Fürth und spiel­te dort zwi­schen 1963 und 1982 und wuss­te auch die ein oder an­de­re Der­by­ge­schich­te zu be­rich­ten. Zum Skan­dal­der­by 1973, wel­ches im er­sten Spiel­ab­bruch im be­zahl­ten Fuss­ball in Deutsch­land en­de­te, er­in­ner­te er sich an Pö­be­lei­en vom Gä­ste­an­hang und dar­an, wie die Leu­te über den Platz lie­fen. »Wir ha­ben Angst um un­se­ren Platz ge­habt, weil das hat na­tür­lich Spu­ren hin­ter­las­sen. Ich bin hin und hab ge­sagt, geht zu, lauft doch wo an­ders hin. Und dann stan­den auf ein­mal 30 Leu­te um mich im Kreis und dann hab ich auch ge­schaut, das ich weg komm«.

Trotz ei­nem ta­len­tier­ten und ver­eins­treu­en Tor­hü­ters schaff­te die SpVgg nie die Rück­kehr in die Erst­klas­sig­keit. Es gab ei­nen Ver­such, mit al­ler Macht den Auf­stieg in die Bun­des­li­ga zu schaf­fen, was aber bö­se en­de­te, wie Ed­gar Bur­kart zu be­rich­ten weiß. »Wir ha­ben da­mals ei­nen Prä­si­den­ten ge­habt, der hat halt ge­meint das ein Ver­ein wie die SpVgg, wo die Gel­der doch im­mer über­schau­bar wa­ren, un­be­dingt in die Bun­des­li­ga auf­stei­gen muss. Bei der Ge­ne­ral­haupt­ver­samm­lung im Geismann­saal hat er ge­sagt, zur Mit­glied­schaft gibt mir 2 Mil­lio­nen und ich ga­ran­tier Euch, daß wir in die Bun­des­li­ga auf­stei­gen. Und wie das so ist, das Volk hat ge­ju­belt, weil die woll­ten ja al­le in die Bun­des­li­ga, und hat dar­über ab­ge­stimmt das er 2 Mil­lio­nen kriegt. Und nach 2 Jah­ren waren’s kei­ne 2 Mil­lio­nen die ka­putt wa­ren, son­dern 6 Mil­lio­nen. Und was war das En­de vom Lied? Der Ver­ein war vorm Kon­kurs ge­stan­den. Die Spar­kas­se Fürth hat uns den Hals um­ge­dreht«. Nach die­ser Ge­schich­te be­gann der Nie­der­gang der SpVgg. Tei­le des Sport­ge­län­des wur­den ver­kauft und der Sport­park Ron­hof ging spä­ter, als kei­ne Teil­ver­käu­fe mehr mög­lich wa­ren, ganz in den Be­sitz des Un­ter­neh­mers Horst Brand­stät­ter über. Als 1988 Ed­gar Bur­kart selbst zum Prä­si­den­ten der SpVgg ge­wählt wur­de, wa­ren aus dem Ver­kauf noch knapp 3 Mil­lio­nen da, wel­che aber auf­grund aus­blei­ben­der Zu­schau­er­gel­der und nun zu lei­sten­der Pacht­zah­lun­gen auch schnell auf­ge­braucht wa­ren. Nach der rück­wir­ken­den, nicht stemm­ba­ren Er­hö­hung der Bei­trä­ge zur Be­rufs­ge­nos­sen­schaft um das Sie­ben­fa­che im Jahr 1995 muss­te ei­ne grund­le­gen­de Lö­sung her. Im Rah­men ei­nes Li­ga­spiels zwi­schen dem TSV Ve­sten­bergs­greuth und der SpVgg Fürth ver­ab­re­de­ten sich Bur­kart und sein Amts­kol­le­ge aus Ve­sten­bergs­greuth, Hel­mut Hack, zu ei­nem Ge­spräch über die Zu­kunft bei­der Ver­ei­ne. Und da­bei ent­stand spä­ter die Idee ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses der SpVgg Fürth und dem TSV Ve­sten­bergs­greuth. »Bei der Ge­le­gen­heit ha­ben wir fest­ge­stellt, das prak­tisch was der ei­ne Ver­ein hat, der an­de­re nicht hat. Die ha­ben das bes­se­re Mar­ke­ting ge­habt als wir, die ha­ben die bes­se­ren Ver­hält­nis­se zur Wirt­schaft ge­habt, die ha­ben die bes­se­ren Ver­bin­dun­gen zur Po­li­tik ge­habt in Ve­sten­bergs­greuth drau­ssen. Wir ha­ben das Sta­di­on ge­habt im Ver­gleich zu de­nen, bei uns war die Pres­se vor Ort ge­ses­sen, wir ha­ben ei­ne Tra­di­ti­on ge­habt, wir ha­ben ei­ne Mit­glie­der­schaft da­hin­ter ge­habt und noch ein ge­wis­ses Stamm­pu­bli­kum, auch wenn das da­mals ein biss­chen zu­rück­ge­fah­ren war. Und dann war halt un­ser Schluss dar­aus, daß wenn zwei Kran­ke zu­sam­men­ge­hen, kannst’ kei­nen Ge­sun­den ma­chen. Aber bei uns hat’s ge­ra­de zu­sam­men­ge­passt«. So wur­de der Bei­tritt der Fuß­ball­ab­tei­lung des TSV Ve­sten­bergs­greuth zur SpVgg Fürth be­schlos­sen und da­mit viel­leicht der Fuß­ball in Fürth ge­ret­tet. »Im Nach­hin­ein kann man mit Fug und Recht be­haup­ten, daß das wahr­schein­lich das Be­ste war«, so Bur­kart zum Ab­schluss die­ser The­ma­tik.

Spä­te­stens jetzt war man in der Neu­zeit an­ge­langt. Aus der SpVgg Fürth wur­de die SpVgg Greu­ther Fürth und aus dem alt­ehr­wür­di­gen Sport­park Ron­hof wur­de 1997 das Play­mo­bil-Sta­di­on (heu­te Trol­li-Are­na). Auch die im­mer wie­der auf­ge­kom­me­nen Plä­ne ei­nes Sta­di­on­neu­baus an an­de­rer Stel­le wur­den zwar von der Run­de er­wähnt, da man aber letzt­end­lich im Ron­hof ge­blie­ben ist, war dies nur Rand­the­ma. Ed­gar Bur­kart füg­te mit Be­zug auf den mit Horst Brand­stät­ter ge­schlos­se­nen lang­fri­sti­gen Pacht­ver­tra­ges noch an, daß man »zu­min­dest noch das 124. Ju­bi­lä­um im Ron­hof fei­ern kann«.

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