»Sol­che Kunst ehrt ih­ren Mei­ster...«

14. Juli 2010 | von | Kategorie: Der besondere Beitrag

Zur Er­in­ne­rung im 100. To­des­jahr des Geismann­saal-Er­bau­ers und »Poculator«-Erfinders Jo­hann Ge­org Geismann.

»Wer den Stoff so wür­zig brau­te, die­sem Mann den Bru­der­kuss, weil er ei­nen Hek­to­li­ter uns da­für kre­den­zen muss. Ruft er nicht die gu­ten Gei­ster der Ge­sel­lig­keit her­bei? Sol­che Kunst ehrt ih­ren Mei­ster und die gan­ze Braue­rei.«
 
Leo Hart­mann: »Preis des Po­cu­la­tors«, 2. Stro­phe, 1935.

Jo­hann Ge­org Geismann wird in From­berg bei Sulz­bach-Ro­sen­berg als Sohn des Edel­hof-Be­sit­zers Ge­org Geismann und des­sen Frau Mar­ga­re­te ge­bo­ren. Der Va­ter ist seit den 1860er Jah­ren an der Für­ther Braue­rei in der Bäu­men­stra­ße be­tei­ligt, die er dann am 29. Ju­ni 1967 von den Ge­brü­dern Ott­mann über­nimmt. Schon zu Jo­hann Geismanns Schul­zeit kommt die Fa­mi­lie so nach Fürth und er tritt nach dem Schul­ab­schluss in Fürth zu­nächst in den Be­trieb der El­tern ein, lernt nach sei­nem Mi­li­tär­dienst 1879–1881 in Fürth als Brau­er, bis er in ei­ner grö­ße­ren Braue­rei in Greifs­wal­de sei­ne Aus­bil­dung ver­voll­stän­digt.

Der Fürther Brauereidirektor Johann Georg Geismann (Foto: Familienarchiv F. Geismann)

Der Braue­rei­di­rek­tor
Jo­hann Ge­org Geismann
(Fo­to: Fa­mi­li­en­ar­chiv F. Geismann)

Das An­we­sen des Va­ters war bis zu des­sen Tod 1883 ein klei­ner Be­trieb mit Brau­ge­rech­tig­keit und Brannt­wein­bren­ne­rei so­wie Land­wirt­schaft, erst als Jo­hann Ge­org ge­mein­sam mit sei­nem Bru­der Le­on­hard das Un­ter­neh­men über­nimmt, be­ginnt der stei­le Auf­stieg zur in­du­stri­el­len Groß­braue­rei.

Höchst­selbst kre­iert der stu­dier­te Brau­mei­ster Jo­hann Gg. Geismann die ex­zel­len­te Sor­ten­viel­falt, die die Braue­rei Geismann um die Jahr­hun­dert­wen­de be­rühmt macht. So ge­lin­gen dem erst 25 jäh­ri­gen Brau­mei­ster 1884 auch die Ver­su­che zu ei­nem Dop­pel­bock, zu­erst »Sal­va­tor« ge­nannt, spä­ter un­ter dem Na­men »Po­cu­la­tor« bis heu­te Le­gen­de. Das Geismann’sche Stark­bier er­freu­te sich, nicht zu­letzt als er­stes Für­ther Stark­bier über­haupt (die mei­sten Quel­len sa­gen ganz Fran­kens), von An­fang an größ­ter Be­liebt­heit und die Ka­pa­zi­tät des al­ten Bräu­st­über­ls in der Bäu­men­stra­sse war dem An­sturm be­reits beim er­sten Aus­schank nicht ge­wach­sen: In der Kü­che des Geismann-Bräu­st­über­ls ent­stand hel­le Auf­re­gung un­ter dem Per­so­nal, als es sich die Gä­ste auf den Kü­chen­hockern, Zu­rich­te­ti­schen und um­ge­stülp­ten Koch­kes­seln be­quem mach­ten, weil sie in der Wirt­schaft kei­nen Platz mehr fan­den, der größ­te Teil der Gä­ste dräng­te sich au­ßer­dem im Haus­flur oder saß auf den Bier­fäs­sern im Braue­rei­hof her­um. Das Stark­bier­fest muss­te in den fol­gen­den Jah­ren erst in die Fass­hal­le Ecke Bäu­men­stra­sse-Schirm­stra­ße, spä­ter in ein Zelt im Hof der Braue­rei um­zie­hen. So en­ga­gier­ten die Brü­der Jo­hann und Le­on­hard Geismann 1895 den Für­ther Star­ar­chi­tek­ten Fritz Wal­ter ne­ben dem präch­ti­gen Neu­bau der Braue­rei am Ge­län­de zwi­schen Bäu­men- und Alex­an­der­stra­ße auch ei­nen gro­ßen Fest­saal zu er­rich­ten. Im neu er­rich­te­te Geismann­saal, bis zu sei­nem Ab­riss 1982 der größ­te Saal­bau der Stadt, konn­te erst­mals 1896 die ge­wal­ti­ge Sud­men­ge von 2600 hl Sal­va­tor ze­le­briert wer­den und zog fort­an jähr­lich die Mas­sen an. Ar­chi­tekt Fritz Wal­ter zeich­ne­te ver­ant­wort­lich u. a. für gro­ße Tei­le der heu­ti­gen Pracht­bou­le­vards an Kö­nigs­war­terstra­ße und Horn­schuch­pro­me­na­de und wie das wert­vol­le Braue­rei­haupt­ge­bäu­de an der Bäu­men­stra­sse war auch der Geismann­saal zu­nächst künst­le­risch aus­ge­stal­tet, fiel je­doch im Zwei­ten Welt­krieg ei­nem Luft­an­griff zum Op­fer, wes­we­gen den mei­sten Für­thern der eher kar­ge Nach­kriegs-Wie­der­au­bau be­kannt ist.

Nicht nur das man mit dem Er­werb der Luit­pold­sä­le (an Stel­le des heu­ti­gen Neu­en Mu­se­ums in der Luit­pold­stra­ße) ei­ne Nürn­ber­ger Sal­va­tor-De­pen­dance ge­schaf­fen hat­te, be­reits nach drei Jah­ren wur­de der Sal­va­tor auch in Würz­burg, Schwein­furt, aber eben­so in zahl­rei­chen Wirt­schaf­ten über ganz Fran­ken zer­streut zum Aus­schank ge­bracht. Die wei­te­ste Rei­se mach­ten je­ne Hek­to­li­ter Sal­va­tor, wel­che »wag­gon­wei­se« in die da­ma­li­ge Reichs­haupt­stadt ver­frach­tet wur­den und all­jähr­lich schon ab dem 1. Ja­nu­ar gro­ßen Bei­fall un­ter den Ber­li­nern fan­den, de­nen sie in den be­rühm­ten »Aschin­gers-Bier­quel­len« ser­viert wur­den, de­nen der Für­ther Eh­ren­bür­ger Hans Lohnert vor­stand, auf­ge­wach­sen di­rekt ge­gen­über der Braue­rei in der Bäu­men­stra­sse.

Für die jähr­li­chen Bier­sen­dun­gen la­gen herz­li­che Dan­kes­schrei­ben vom kai­ser­li­chen Ober­hof­mar­schall­amt eben­so wie aus der per­sön­li­chen Fe­der Ot­to von Bis­marcks in Jo­hann Geismanns Fa­mi­li­en­al­bum und auch in Ken­ner­krei­sen wur­de dem Für­ther Spe­zi­al­bier at­te­stiert mit dem Münch­ner Ge­bräu glei­chen Na­mens im Ge­schmack min­de­stens eben­bür­tig zu sein. Nach dem Tod des Bru­ders Le­on­hard (1900) und der Um­wand­lung der Braue­rei Geismann in ei­ne Ak­ti­en­ge­sell­schaft 1901 über­nahm Jo­hann Ge­org den Di­rek­tor­po­sten, den er trotz lan­ger schwe­rer Krank­heit bis zu sei­nem viel zu frü­hen Tod am 25. April 1910 be­klei­de­te. Dass der Geismann­saal-Er­bau­er und »Poculator«-Entdecker, der den Klein­be­trieb bis zu ei­nem jähr­li­chen Aus­stoß weit jen­seits der 100.000 hl-Mar­ke em­por führ­te, sich zwar als Mit­glied des Ge­mein­de­kol­le­gi­ums und Reichs­tags­kan­di­dat en­ga­gier­te, nicht aber in die Für­ther Stif­ter­tra­di­ti­on ein­reih­te, mag eben dar­an lie­gen, dass er nur 50 Jah­re alt wur­de.

Die fort­schritt­li­che Phi­lo­so­phie und Ex­pe­ri­men­tier­freu­de Jo­hann Ge­org Geismanns er­hielt sich das Un­ter­neh­men noch Jahr­zehn­te: Die Braue­rei Geismann war der ih­rer­seits sehr star­ken Für­ther Kon­kur­renz nicht nur mit Po­cu­la­tor und Geismann­saal des öf­te­ren weit vor­aus: Das »Geismann Bay­risch-Pil­se­ner« gilt als er­stes Pils Fran­kens und Bay­erns und schon zu­vor brau­te man als er­ste Braue­rei Fürths hel­le Bie­re. Noch in den 1950ern rich­te­te man die mo­dern­ste Sud­haus­an­la­ge Süd­deutsch­lands ein und auch wenn die Fu­si­on mit dem Kon­kur­ren­ten Humb­ser aus heu­ti­ger Sicht wohl als der An­fang vom En­de der gro­ßen Für­ther Brau­ge­schich­te ge­se­hen wird: Aus da­ma­li­ger Sicht war auch die­se Ent­schei­dung für ein, im Kon­text sei­ner­zei­ti­ger Lo­gi­stik vor­teil­haf­te­res, Brau­zen­trum an der Schwa­ba­cher Stra­ße ei­ne ra­tio­na­le. Wenn auch die­ses gut er­hal­te­ne Ge­län­de nun in den kom­men­den Jah­ren zu Gun­sten ei­nes Wohn­ge­bie­tes teil­wei­se ab­ge­ris­sen wird, oh­ne dass ver­sucht wird die hi­sto­ri­sche Bau­sub­stanz in Sicht­zie­gel­bau­wei­se der­art um­fäng­lich ein­zu­be­zie­hen wie es im be­nach­bar­ten Süd­stadt­park so ex­zel­lent ge­lun­gen ist, dann bleibt von der letz­ten Brau­stät­te der einst »Gro­ßen Fünf« nicht viel mehr als das Sud­haus.

 
Der Au­tor ist ein Ur­en­kel Jo­hann Ge­org Geismanns und be­schäf­tigt sich aus fa­mi­liä­rer Ver­bun­den­heit seit Jah­ren mit der Ge­schich­te der Braue­rei Geismann und dem Für­ther Brau­we­sen ins­ge­samt.

Mehr zur Braue­rei­ge­schich­te der Stadt Fürth im Für­thWi­ki.

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14 Kommentare zu »»Sol­che Kunst ehrt ih­ren Mei­ster...««:

  1. Barbara Knechtel sagt:

    nach der Aus­stel­lung im Do­ku­zen­trum Nürn­berg ist mei­ne Fra­ge, ob die Geismanns ei­ne jü­di­sche Fa­mi­lie wa­ren und Op­fer der Ari­sie­rung wur­den (Schicke­danz etc.)

    Bit­te um Ant­wort von Herrn Fe­lix Geismann

    Mit freund­li­chem Gruß
    Bar­ba­ra Knech­tel

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