Der Hauptbahnhof Fürth – ein Trauerspiel
3. Juli 2010 | von Ralph A. Schmid | Kategorie: HäuserkampfDer Hauptbahnhof Fürth, ein klassizistischer Bau aus dem vorletzten Jahrhundert, ist ein Gesicht der Stadt, welches den Bahnreisenden empfängt und einen ersten Eindruck der Stadt vermittelt. Dieser Eindruck ist seit etlichen Jahren sehr schlecht, in zunehmendem Maße, und erst jüngste Bemühungen um ein klares Bekenntnis seitens der DB lassen wieder ein wenig Hoffnung auf Besserung aufkommen.
Für den täglichen Pendler ist es seit Jahren ein schleichender Vorgang und damit nicht unbedingt gleich auffällig, doch wer einmal offenen Auges durch den Hauptbahnhof Fürth wandelt, dem kann der desolate Zustand nicht entgehen. Als spektakuläre Punkte des Niederganges wären das Einstellen jedweden IC/ICE-Fernverkehrs zu nennen, das Schließen der Bahnhofsgaststätte, und letztlich die Dauerbaustelle, die bereits seit beinahe einem Jahr alle paar Monate weitere Schritte der Destruktion aufwirft, aber außer einem teilweise erneuerten Bahnsteig noch keinerlei Fortschritte aufweist. Der Hausbahnsteig wird mehr und mehr durch Grabungen verunstaltet, die Toiletten sind geschlossen, im Fußgängertunnel sind Aufgänge hässlich verplankt, und anstatt die Arbeiten voranzutreiben wird halbherzig mit Sichtschutz versucht, das Elend zu verblenden.
Welch ein Wohlklang in Fürther Ohren (ein Paar solcher Ohren war anwesend) sind da doch die in kleinem Kreise geäußerten Worte des Vorstandsvorsitzenden der DB, Dr. Rüdiger Grube, daß dieser Bahnhof in Fürth so nicht bleiben könne und da unbedingt etwas unternommen werden müsse. Der Oberbürgermeister der Stadt Fürth, Dr. Thomas Jung, weiß jedoch nichts von solchen Bestrebungen, sieht aber die Gelegenheit kommen, Dr. Grube auf die Problematik anzusprechen.
Eine Nachfrage bei DB Station & Service ergibt nur Gemeinplätze, man arbeite mit Hochdruck am Bahnhof, bis Ende 2011 mag man fertig sein, und weiterer Ausbau sei auch von einem Nutzungskonzept abhängig. Ferner habe man ja bereits Verschönerungsmaßnahmen durchgeführt, wie Reparatur defekter Fenster und Säuberungsmaßnahmen. Eigentlich alles Dinge, die man bei einem genutzten Objekt als selbstverständliche und dauernd laufende Unterhaltungsmaßnahmen sehen sollte, doch bei DB Station & Service ist man sogar stolz darauf, die unansehnlichsten Stellen durch Sichtverblendung ein wenig versteckt zu haben.
Spannend ist, daß für belebte und funktionale Bahnhöfe wie Braunschweig oder Göttingen Mittel im Rahmen eines Projektes »Sonderprogramm Personenbahnhöfe« zur Sanierung, energetischen Optimierung und Ertüchtigung der Aufenthalts-und Verkaufsflächen bewilligt sind und diese Maßnahmen auch bereits beginnen. Dabei sind diese Bahnhöfe ansehnlich und in gutem Zustand, was man von diesem unseren Bahnhofe wahrlich nicht behaupten kann.
Es kommt, wie es kommen muß – Dr. Jung trifft im Rahmen des Metropolmarathons auf Dr. Grube, und natürlich ist auch der Bahnhof ein Thema. Zum Entsetzen der anwesenden DB-Sprecher sichert Dr. Grube zu, daß sich definitiv etwas tun werde. Aus dem DB-Pressekorps wird sogleich abzuwiegeln versucht, doch zu spät – das Wort ist draußen, von vielen vernommen, in der Tagespresse und in weblogs verbreitet. Man wird nun Dr. Grubes Zusagen einfordern, soviel ist sicher. Die Hoffnung ist groß, daß der als zupackend geltende Bahnchef die Dinge in eine Richtung leiten wird, die der Eisenbahnstadt Fürth würdig ist.
Der Autor dieses Artikels, Ralph A. Schmid, ist Wahl-Fürther seit zehn Jahren, Bahn-Vielfahrer, Mitglied im Kundenbeirat der DB AG und durch diese Funktion in losem Kontakt mit den Hauptdarstellern dieses Trauerspiels.
Dazu sagen muss man aber auch, dass es besonders die politische Landschaft in Fürth ist, die in vergangener Zeit die Kapazitäten am Themenfeld »Bahn« mehr auf den Kampf gegen einen streitbaren Verschwenk und damit für die jahrelange Verzögerung des S‑Bahnbaus eingesetzt hat, während der Lokschuppen von 1860 (https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Lokschuppen_von_1860) und eben der Hauptbahnhof ausgerechnet im 175. Jubeljahr der Ersten Deutschen Eisenbahn so traurig aussehen wie selten zuvor.
Da wird das Fest wortwörtlich zu einem Plastik-Event, wenn auf der Fürther Freiheit eine temporäre Konstruktion angebetet wird, an sich ein netter Gag, doch wenn währenddessen die wahren, echten alten Zeugen der Bahngeschichte mehr unbequeme Ballast sind und teilweise gar einzustürzen drohen? Kultur aus der Konserve. Von gestern für morgen lernen? Fehlanzeige.
Heute wurde mir vor Ort mitgeteilt, dass entgegen den letzten Plänen nun alle Säulen des Vordachs erhalten werden. Also nicht nur die erste alte Säulenreihe, sondern auch die jüngeren Exemplare der zweiten und dritten Reihe gehen ans DB-Museum und an die Stadt Fürth (10 Stk.).
Immerhin...
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Jau, ich habe mit Grube und Jung drei Worte gewechselt, bevor sie dann zu dem im Artikel schon genannten Termin gegangen sind... Man darf gespannt sein, und ich bleibe dran am Thema!
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Sehr fein, zeigt das jahrelange Nerven doch ein wenig Wirkung :)
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