Das wun­der­tä­ti­ge Hei­li­gen­bild

1. Februar 2016 | von | Kategorie: Wissen

Der strah­lend wei­ße Turm der Hein­rich­sk­ri­che ist das kaum um­strit­te­ne Wahr­zei­chen der Süd­stadt. Der wei­ße Turm ist so auf­fäl­lig, dass er im 2. Welt­krieg in Moos­grün um­ge­stri­chen wur­de. Über vie­le Jahr­zehn­te war St. Hein­rich die ein­zi­ge ver­putz­te Kir­che in Fürth, ihr ver­ein­fach­ter Ba­rock wirkt zwar auf man­chen tri­vi­al, aber es gibt auch an­de­re Mei­nun­gen: »Das gan­ze We­sen der Kir­che hat ei­ne durch nichts un­ter­bro­che­ne ge­schlos­se­ne Har­mo­nie« hieß es über den Ar­chi­tek­ten Schurr im Jah­re 1913. Der vor­lie­gen­de und ein spä­ter fol­gen­der Ar­ti­kel stel­len die Kir­che vor.

Wahrzeichen der Südstadt: Turm von St. Heinrich (Foto: A. Mayer)

Wahr­zei­chen der Süd­stadt: Turm von St. Hein­rich (Fo­to: A. May­er)

Das Al­tar­bild

Die Kir­che ent­hält ei­ne Ab­son­der­lich­keit, das Al­tar­bild. Man­che hal­ten es für wun­der­tä­tig, das ein­zi­ge mit solch durch­schla­gen­der Wir­kung in Fürth, den­noch hat es bis­her kei­ner­lei Wall­fahrts­ver­kehr aus­ge­löst. Das Wun­der be­steht dar­in, dass die­ses Al­tar­bild je­den Kunst­lieb­ha­ber und fast je­den Kunst­hi­sto­ri­ker beim er­sten An­blick un­ver­mit­telt zur Salz­säu­le er­star­ren lässt, das al­te Te­sta­ment lässt grü­ßen. Im Jah­re 1993 er­folg­te die bis­her letz­te Re­no­vie­rung, die Ge­mein­de be­müh­te sich da­bei er­folg­los, das Al­tar­bild los­zu­wer­den, das Erz­bis­tum spiel­te je­doch nicht mit.

Si­cher­lich, die Ge­brauchs­ma­le­rei der 1920er Jah­re war durch­ge­hend ei­gen­ar­tig (ich be­sit­ze ei­ni­ge Erb­stücke), was heu­te an­ge­sichts ei­ni­ger her­vor­ra­gen­der Ma­ler der Neu­en Sach­lich­keit oft über­se­hen wird. Aber das Al­tar­bild von St. Hein­rich ist wirk­lich – noch da­zu in ei­ner Kir­che – ein her­aus­ra­gen­des Ob­jekt. Wie kam St. Hein­rich zu die­sem Bild?

Wir be­gin­nen mit un­se­rer Ge­schich­te im Jah­re 1922. War St. Hein­rich bis da­to ei­ne Fi­lia­le von Un­se­rer Lie­ben Frau, so wur­de am 1. Au­gust 1922 der Ka­plan von St. Eli­sa­beth in Nürn­berg zu­nächst Ku­rat, am 1. Sep­tem­ber 1922 eben die­ser Ku­rat Franz Schwarz­mann zum Pfar­rer er­nannt und da­mit St. Hein­rich zur Pfar­rei. Schwarz­man war für den Hi­sto­ri­ker ein Glücks­fall, denn er hin­ter­ließ um­fang­rei­che Me­moi­ren.

Kla­gen des Pfar­rers

Innenraum von St. Heinrich (Foto: A. Mayer)

In­nen­raum von St. Hein­rich (Fo­to: A. May­er)

Franz Schwarz­mann be­klag­te den Be­such und die feh­len­de Aus­stat­tung der neu­en gro­ßen Kir­che: »Da fast 1000 qm über­baut sind, kann die Kir­che et­wa 2700 Men­schen zu glei­cher Zeit auf­neh­men. Als aber Schrei­ber die­ser Zei­len die Ku­ra­tie bzw. die Pfar­rei ... an­trat, be­such­ten von cir­ca 8000 See­len kei­ne 1000 die sonn­täg­li­chen Got­tes­dien­ste. Ganz arm­se­lig war die in­ne­re Aus­stat­tung. Als Pro­vi­so­ri­um war ein al­ter klei­ner Ba­rock­al­tar mit Dreh­ta­ber­na­kel ... auf­ge­stellt. Ein von ei­nem Holz­ge­rüst ge­tra­ge­ner blau­er Samt­vor­hang muss­te den Hin­ter­grund bil­den, da­mit das Ta­ber­na­kel über­ra­gen­de Stuck­kreuz (jetzt in der Sa­kri­stei) in Gel­tung kam. Von Not­beicht­stüh­len wa­ren zwei An­deu­tun­gen da, pri­mi­ti­ve Holz­kä­sten oh­ne Schutz für den Beich­ten­den. Zur Be­glei­tung der Lie­der muss­te vor­erst ein ein­fa­ches Pe­dal­har­mo­ni­um Dien­ste tun.« – Nun, die Kla­ge über nicht ganz 1.000 Be­su­cher der Sonn­tags­mes­se dürf­ten den heu­ti­gen Pfar­rern wohl recht selt­sam in den Oh­ren klin­gen.

Pfar­rer Schwarz­mann ging die Sa­che an. Zu­nächst fi­nan­zier­ten »Freun­de und Gön­ner der Kir­che« ei­ne klei­ne In­te­rims­or­gel: »Mit ih­ren sie­ben Re­gi­stern wirk­te sie in der fast über­aku­sti­schen Kir­che kräf­tig und fül­lend und tat jah­re­lang ih­ren Dienst«. Als näch­stes konn­te 1924 der Ta­ber­na­kel nach Plä­nen des Ar­chi­tek­ten Schurr für 7.000 Mark an­ge­schafft wer­den. Für den Al­tar gab es ei­nen Ko­sten­vor­anschlag über 2.800 Mark. Nach Fer­tig­stel­lung ver­lang­te das Nürn­berg-Für­ther Bild­hau­er- und Stuckatur-Ge­schäft Hans May­er (kei­nes­falls ver­wandt mit dem Au­tor die­ser Zei­len) 1925 dann 4.645 Mark, be­schränk­te sich aber nach Dro­hung mit dem Rechts­an­walt auf 500 Mark Nach­zah­lung. Trotz­dem war St. Hein­rich da­nach im­mer noch ziem­lich blank, Schwarz­mann woll­te das än­dern und und so er­hiel­ten wir das schon er­wähn­te wun­der­tä­ti­ges Al­tar­bild.

Zum Ent­set­zen der gan­zen Ge­mein­de

Wie kam St. Hein­rich zu die­sem au­ßer­ge­wöhn­li­chen Bild? Da – wie schon ver­merkt – kein Geld mehr da war, mach­ten Kir­che und Kir­chen­stif­tung laut Schwarz­manns Auf­zeich­nun­gen ei­ne Ein­ga­be beim »Kö­nig­li­chen Mi­ni­ste­ri­um«, ob nicht das »Kö­nig­reich Bay­ern« et­was für die ka­tho­li­sche Dia­spo­ra in Fran­ken üb­rig ha­be (Schwarz­mann moch­te wohl die über­wie­gend pro­te­stan­ti­sche Re­pu­blik nicht). Die Ant­wort in­des blieb zu­nächst aus. Erst als sich ört­li­che Ab­ge­ord­ne­te stark mach­ten, über­nahm das Mi­ni­ste­ri­um die Ko­sten. Das Fa­ta­le dar­an war je­doch, dass die Mit­tel aus dem Haus­halts­an­satz zur »För­de­rung und Pfle­ge der Kunst« ent­nom­men wer­den soll­ten. Das hat­te wie­der­um ei­nen Wett­be­werb zur Fol­ge, des­sen Er­geb­nis­se ei­nem Preis­ge­richt aus Pro­fes­so­ren und Mi­ni­ste­ri­al­di­rek­to­ren zur Be­ur­tei­lung vor­ge­legt wur­de. Ge­nau­so wie heu­te war un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen das Schlimm­ste zu be­fürch­ten und Pfar­rer Schwarz­mann stand auf ein­sa­men, ver­lo­re­nen Po­sten.

»Zum Entsetzen der gesamten Gemeinde«: Das Altarbild von 1925 (Foto: A. Mayer)

»Zum Ent­set­zen der ge­sam­ten Ge­mein­de«: Das Al­tar­bild von 1925 (Fo­to: A. May­er)

Im­mer­hin 53 Ent­wür­fe la­gen dem Preis­ge­richt vor, das ba­rocke Ent­wür­fe und Ent­wür­fe, die sich an al­te Mei­ster an­leh­nen, so­fort aus­son­der­te, die Be­grün­dung lau­te­te nach Dar­stel­lung von Schwarz­mann un­ter an­de­rem: »Es han­delt sich um ei­ne ba­rocke Kir­che, al­so schei­den al­le Ent­wür­fe aus, die ba­rock sind«. Zwei Pro­fes­so­ren ver­such­ten im Fol­gen­den, ei­nen ih­rer Schü­ler durch­zu­bo­xen.

Schwarz­mann wag­te den Ein­spruch »Mei­ne Her­ren, ich ha­be ei­ne ar­me Ar­bei­ter­pfar­rei, die­se Leu­te wol­len ein Bild, das ih­nen et­was zu sa­gen hat, vor dem sie be­ten kön­nen.« Die Ant­wort der Gut­ach­ter lau­te­te sinn­ge­mäß: »Die Kunst ist für die Kunst da«. Schwarz­mann schil­dert die wei­te­ren Vor­gän­ge wie folgt: »Hat­te mich der ge­wähl­te Ent­wurf schon aufs tief­ste er­schüt­tert, so war ich noch mehr ent­setzt, als ich in der Aka­de­mie das fer­ti­ge Ge­mäl­de sah. Ne­ben dem Kai­ser Hein­rich stand – ein Fran­zis­ka­ner. Als ich den Ma­ler auf den Ana­chro­nis­mus auf­merk­sam mach­te, ant­wor­te­te die­ser, er brau­che die Glat­ze des Fran­zis­ka­ners zur Lich­tung des Gan­zen. Die hei­li­ge Ku­ni­gun­de war über­haupt nicht ver­tre­ten. Durch ei­ni­ge Stri­che und Far­ben wur­de dann aus ei­nem Mann ei­ne Frau ge­macht. Am 25. Ok­to­ber 1925 konn­te das Ge­mäl­de am Hoch­al­tar ent­hüllt wer­den, zum Ent­set­zen der ge­sam­ten Ge­mein­de«.

Grim­mi­ger Ot­to

Zu­frie­de­ner wa­ren die Kirch­gän­ger mit den Holz­fi­gu­ren des hei­li­gen Ot­to von Bam­berg und des hei­li­gen Wolf­gang von Re­gens­burg. Die Sta­tu­en stam­men von Gui­do Mar­ti­ni aus Re­gens­burg, ko­ste­ten 3.300 Mark und nah­men am 4. April 1926 ih­ren Platz links und rechts des Al­tar­bil­des ein. Dass sie für mei­ne Be­grif­fe reich­lich wild und streng blicken, er­schien den Pfar­rern durch­aus an­ge­bracht.

Der Al­tar ko­ste­te ins­ge­samt 13.800 Mark. Bil­lig, wenn man be­denkt, dass 1923 al­lei­ne das Holz für zwei neue Beicht­stüh­le 10.725.000.000 Mark ko­ste­te, wo­von die Hälf­te ein pro­te­stan­ti­scher Po­li­zei­kom­man­dant spen­dier­te: Wel­che Ge­häl­ter die Po­li­zei sei­ner­zeit doch hat­te ...

Süd­län­di­sche Ge­müt­lich­keit im sprö­den Fürth

Ein­mal ab­ge­se­hen da­von, dass ich ge­gen­über neun Jah­re lang zur Schu­le ge­gan­gen bin, so er­in­nert mich die Hein­rich­skir­che an mei­ne Lieb­lings­kir­che über­haupt, an die Thea­ti­ner­kir­che in Mün­chen. Brach­te uns Hein­rich II. die er­ste ur­kund­li­che Nen­nung, bringt uns Sankt Hein­rich süd­deut­sche und süd­län­di­sche Ge­müt­lich­keit im Klei­de ei­nes volks­tüm­li­chem Neu­ba­rock und – nicht zu ver­ges­sen – ein Al­tar­bild, des­sen Wun­der­tä­tig­keit heu­te noch un­ge­bro­chen ist.

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4 Kommentare zu »Das wun­der­tä­ti­ge Hei­li­gen­bild«:

  1. GünniS sagt:

    Ein ganz wun­der­ba­rer Ar­ti­kel! Hät­te ich das nur da­mals schon ge­wusst als ich zwangs­läu­fig fast je­den Sonn­tag ei­ne Stun­de lang auf die­ses Bild ge­starrt ha­be ;-)

  2. Duke75 sagt:

    Sehr in­ter­es­san­ter Ar­ti­kel, aber: Kö­nig­reich Bay­ern? 1925? Oder ist das iro­nisch ge­meint? ;-)

  3. Schwarz­mann hat es so ge­schrie­ben und ich hab´s so ab­ge­schrie­ben ;-). Ver­mut­lich ver­se­hent­lich, oder er moch­te die Wei­ma­rer Re­pu­blik nicht. Aber ich hät­te na­tür­lich dar­auf hin­wei­sen und es in An­füh­rungs­zei­chen set­zen müs­sen. (Ich bit­te hier­mit den Ad­mi­ni­stra­tor dar­um.)

  4. Schon er­le­digt!

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