Fürther feiern Solidaritätsfest mit Flüchtlingen
27. September 2014 | von Timo Müller | Kategorie: PolitikRund 700 Menschen kamen am Samstag zum Solidaritätsfest für Flüchtlinge, welches vom »Koordinierungskreis Solidarität Fürth« organisiert worden war. Im ehemaligen »Höffner«-Areal in der Seeackerstraße befindet sich seit rund zwei Wochen eine Notfallunterkunft für Geflüchtete, die derzeit von dreihundert Personen bewohnt wird.
Ziel der Fest-Organisatoren war es, den Geflüchteten und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass eine »Willkommenskultur abseits politischer Versprechungen möglich und notwendig« ist. Die Besucher konnten sich am Tischfußball oder im Streetfootball versuchen. Für Kinder wurden ein Malbereich aufgebaut und Spielzeuge bereitgestellt. Für die Verpflegung sorgten die Freiwilligen selbst, in dem sie belegte Brötchen, Suppe und etliche Kuchen mitbrachten. Freilich durfte auch eine musikalische Unterhaltung nicht fehlen, die von Mitgliedern des Musikkollektivs »homies&spasten« übernommen wurde.
In Redebeiträgen vom Bündnis gegen Rechts, der Antifaschistischen Linken Fürth und der Linkspartei wurde die Asyl- und Flüchtlingspolitik scharf kritisiert. Ein Redner forderte die Abschaffung von unmenschlichen Massenunterkünften und verwies auf die faktische Abschaffung des Asylrechts von 1993. Dies besagt, dass man sich nicht auf das individuelle Grundrecht auf Asyl berufen kann, wenn man über eine Landesgrenze in die Bundesrepublik Deutschland einreist. Auch Geflüchtete selbst übernahmen das Wort und bedankten sich bei den Besuchern für die direkte Solidarität.
Für die Organisatoren war das Fest ein »voller Erfolg«, wie eine Sprecherin betonte. Zudem wolle man in den kommenden Wochen den »politischen Druck auf die politischen Entscheidungsträger erhöhen«.
Bildergalerie zum Anklicken:
Alle Fotos: Timo Müller
[…] Bilder bei der Fürther Freiheit: KLICK Bilder bei Facebook: KLICK […]
Ein Dank den Machern dieser sehr gelungen Festaktion. Die Fotos sind wohl ziemlich zu Festbeginn geschossen worden, denn ab 15:00 Uhr war fast kein Durchkommen mehr auf Wege und Plätzen.
Das Fest war für mich sehr emotional. Menschen jedweder Coleur – vom europäischen Kontinent über Afrika bis hin zu den arabischen Ländern – zusammen gepfercht. Alles Menschen aus Ländern, in denen wir Westeuropäer als Urlauber immer mit offenen Armen und allerhöchster Gastfreundschaft empfangen werden und in den höchsten Tönen davon schwärmen. Jetzt sind diese Menschen bei uns und wir könnten ein Stückchen davon zurück geben. Ja, wir könnten, wäre da nicht die ignorante Politik, die sich auf Ignoranz, maximal Sonntagsreden und nette Worte beschränkt. Gerade einmal 3 PolitikerInnen habe ich erkannt: die recht engagierte aber offensichtlich mit ihrem Engagement allein stehende Fürther Sozialreferentin (für die das Wort »sozial« in ihrem Titel offensichtlich noch eine Bedeutung hat!), ein SPD-Stadtrat sowie PolitikerInnen der Linken wie Uli Schönweiss. Ansonsten: Fehlanzeige. Der Staat hält sich zurück, in einem Land wo es sogar für Hunde Frisöre und Wellnessfarmen sowie reichlich Tierarztpraxen gibt. Die Versorgung für Vieh und Haustier ist besser geregelt als für diese Menschen, denen man ihre lange Flucht und ihre Ängste und Zerissenheit förmlich ansieht.
Vor allem die Kinder freuten sich riesig über die Mal‑, und Spielaktionen und die Clownin zog alle in ihren Bann. Bei aller und leider nur allzu kurzen Freude, habe ich Zwischentöne bemerkt, die mir zu denken gaben. Kinder, welche mit sehr bunten Farben, aber unendlich traurigen Augen malten. Bilder, auf denen oft die Farbe rot dominierte und man häufig Kriegsgerät, Waffen und grausameres erblicken konnte. Aber auch Bilder, welche die Wünsche der Kinder ausdrückten, sei es nur die intakte Familie MIT Vater, oder ein kleines Haus, wo alle vollständig sind und Platz haben, sei es eine bunte Blume oder ein Herz. Ich könnte noch viele eindringliche Eindrücke beschreiben, die nur einen Schluss zulassen: wir sind alle aufgefordert, diesen Staat zum Handeln zu bewegen, zu zwingen endlich etwas für diese Menschen zu tun und deren Fluchtursachen zu bekämpfen! Es kann nicht sein, dass hier nur Ehrenamtliche, Kirchen, Caritative und Linke Gruppierungen und NGO’s das Programm stemmen und der Staat sich total heraus hält.
Den meisten hierzulande ist es offensichtlich auch gar nicht bewusst, dass ihr Handy-Party-Wohlstands- und »über nix nachdenken müssen« Standard nicht nur eng, sondern direkt mit der Flucht dieser Menschen durch Landvertreibung, Entwicklungs-»Hilfe«, durch Korruption deutscher Firmen, in deren Ländern angerichtete Schäden, durch Rohstoffausbeutung, Waffenlieferungen, Ölvorkommen, Abfischen der Küsten, Kriege, unseren Waffenlieferungen, Klimaveränderungen, die wir verursachen oder Desinteresse an globaler Politik uvam. zusammen hängt. Das macht mich wütend und traurig. Was mich freute und bewegte war der kurze Moment der Freude in manchem Gesicht.
Pressespiegel:
»Große Welle der Solidarität«
»Asyl: Stadt übt massive Kritik am Freistaat«
»Fürther Kirchen wollen die Not lindern.«
(alle FN)
Anmerkung: »King lui« gibt es meines Wissens so nicht mehr. Das waren Künstler aus der Jugendkulturvereinigung »homies&spasten« wie brickwater, DeadCityRockets und Reverend Reefer!
Gruß, Matze
@Matze Kosu: Danke für den Hinweis, wurde aktualisiert.
Es war ein tolles Fest, genau so etwas braucht man finde ich.
Aber man hat auch gesehen, wie die Asylbewerber leben. So darf und kann es nicht weitergehen!
Mich würde interessieren, woher Sie die Zahl der 700 Besucher haben – als ich da war, sah es nach höchstens 150 aus. Da müssen ja noch jede Menge Leute durch den kleinen Gehsteig-/Seitenstreifen-Bereich geschleust worden sein.
Auch muss ich ehrlich zugeben, dass – so sehr ich dankbar bin, dass derlei hier organisiert wird und ich es ideell begrüße – mir es ein wenig so vorkam, als wäre dieses Fest für die Asylbewerber gewissermaßen eine nette Abwechslung und für die eingeschliffenen Kreise der Veranstalterorganisationen ein nette Gelegenheit zum Miteinanderplaudern gewesen. Ich persönlich kam mir etwas deplatziert vor, aber gut, dass kann natürlich auch an mir liegen.
@ Moritz Schulz:
Als einer der Organisatoren der Willkommenskundgebung möchte ich Ihnen antworten.
Die Zahl mit den Besuchern kommt von uns, den Veranstaltern. Im Laufe des Tages waren circa 700 Menschen dort anwesend (man muss ja bedenken, dass schon mehrere hundert Refugees im Höffner wohnen). Die Fotos oben und auf Facebook zeigen auch recht eindrucksvoll, dass es schon mehr als 150 Menschen gewesen sind ;)
Bei dem zweiten Punkt muss ich Ihnen ein Stück weit zustimmen. Das Fest war für viele Refugees eine Abwechslung und das war auch eines unserer Ziele. Wir wollten vor allem den Menschen, die eine nicht vorstellbare Flucht hinter sich haben eine Abwechslung zum tristen Alltag im Höffner liefern. Deswegen haben wir innerhalb von zwei Wochen (!) dieses Fest organisiert. Es musste sich um die Verpflegung gekümmert werden, um eine Malecke und die dazugehörigen Utensilien, es musste eine Band und ein Kicker organisiert werden. Dazu kamen noch die ganzen Biergarnituren. Ich hoffe, Sie können sich vorstellen, dass das keine einfache Sache war.
Natürlich ist es so, dass sich viele aus den organisierenden Gruppen schon kennen oder dadurch kennengelenert haben. Warum Sie sich etwas deplaziert vorkamen, kann ich nicht beurteilen, ich hoffe Ihnen hat das Klima der Veranstaltung trotzdem zugesprochen.
Falls Sie Kontakt zu den OrganisatorInnen aufnehmen wollen oder einfach bei dem Thema mitarbeiten wollen, melden Sie sich doch einfach bei uns: solidaritaet_fuerth@web.de
Beste Grüße,
Armin (Mitglied der Antifaschistischen Linken Fürth)
@Armin von der ALF:
Na gut, ich glaube, ich kann gut damit leben, wenn das Schätzen von Besucherzahlen zu meinen unterentwickelten Kompetenzen gehört ;)
Das, was ich Ihnen bzw. den Organisatoren sagen wollte, ist im Prinzip auch: ein dickes Lob. Wie ich bereits schrieb, freue ich mich ja sehr, dass Sie das machen, was Sie machen.
Was ich eventuell dem Autor zu sagen gedachte, war, dass man in journalistischer Hinsicht diese Veranstaltung auch etwas differenzierter hätte betrachten bzw. eher als »engagierte Bürger stampfen in zwei Wochen ein Fest für und mit Flüchtlingen aus dem Boden« denn als »politisch wertvollen Freizeitspaß« hätte aufziehen können. Was auch kleinlich und unnötig überkritisch sein mag.
Beste Grüße,
Moritz
@ Moritz Schulz:
Nunja, da gehen wohl unsere Auffassungen des Festes ein wenig auseinander. Zudem ist der kurze Text oben im Stil einer Nachricht formuliert.
Weiss jemand, ob (selbstverständlich einwandfreie) Kleidung/Schuhe (für Erwachsene) benötigt werden? Wenn ja, wo könnte man dies abgeben? Mir wäre es lieber, zu wissen, dass das tatsächlich bei Menschen in Not ankommt, als es in den Container zu werfen, wo wer weiss was damit passiert.
@ Duke:
Klamotten werden immer benötigt, gerade jetzt in den kalten Tagen.
Kleiderannahme ist immer Mittwochs von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr. Einfach an der Pforte Bescheid geben.
OK, danke für die Info!
@ Moritz Schulz
Eine Frage: was hatten sie sich eigentlich als Besucher dieses Festes erwartet und warum kamen sie sich dann deplaziert vor?
So wie ich es verstehe sollte dieses Fest dazu beitragen den Flüchlingen zu zeigen dass sie hier willkommen sind und ihnen etwas Abwechslung und Freude in den wahrscheinlich doch sehr eintönigen Alltag in einer Flüchtlingsunterkunft zu bringen. Dass sich die Veranstalter dann auch bei dem Fest miteinander unterhalten ist doch wohl ganz normal.
@ DUKE/TIMO ACHTUNG:
Diese Wo war ein Artikel in der FN, der davon handelte, dass eine Spenderin bei Möbel Höffner bereits abgewiesen wurde, lest selbst:
http://www.nordbayern.de/region/fuerth/lager-voll-zu-viele-sachspenden-fur-fluchtlinge‑1.3937604
Die Situation ist meines Wissens aber immer noch sehr problematisch. Die umfassende Versorgung mit Winterkleidung ist immer noch nicht gewährleistet (die FN zeichnen hier jedoch ein anderes, meines Erachtens wesentlich positiveres Bild, als es sich in der Realität darstellt). Es gab zumindest letzte Woche ein Gespräch zur Koordinierung der Ehrenamtlichen, trotz Ankündigungen ist aber immer noch kein professionelles Personal in Sicht. Immerhin gibt es eine Telefon Nummer zum Kulturamt der Stadt Fürth, wo sich Ehrenamtliche melden können (0911 9691–118). Dies ist zumindest ein weiterer, wenn auch recht kleiner Schritt nach vorne.
@ Timo, Elise:
Entschuldigung vielmals, ich nehme sämtliche Kritik gänzlich zurück, es ist ein sehr guter Artikel und es war ein sehr schönes Fest, das genau seinen Zweck erfüllt hat. Sollte ich Sie oder die Organisatoren oder den Autoren mit meiner anfänglichen Meinung persönlich angegriffen haben, bitte ich nachdrücklich um Entschuldigung.