So­lar­stadt Fürth für Über­flie­ger

2. September 2011 | von | Kategorie: Umwelt

Hat sich Frau Schäff vom Amt für Um­welt­pla­nung ver­plap­pert als sie mein­te: »Ei­ne So­lar­an­la­ge rech­net sich erst ab 20 Jah­ren.« (Zi­tat Für­ther Nach­rich­ten vom 16.08.2011)? Be­zug wird hier ge­nom­men auf die In­stal­la­ti­on von So­lar­zel­len zur Strom­erzeu­gung. Das scheint im Wi­der­spruch zu ste­hen zu der für 2010 ver­kün­de­ten Ren­di­te von 8% beim Pro­jekt So­lar­berg At­zen­hof: Bei ei­ner Be­tei­li­gung durch die Stadt Fürth in Hö­he von 500.000 € gab es ei­nen Jah­res­er­lös von 40.000 €. Ist das nun loh­nend oder nicht?

Wolkenkuckucksschein (Montage: Alfred Schermann)

Wol­ken­kuckucks­schein
(Mon­ta­ge: Al­fred Scher­mann)

Wenn man nur das Pro­jekt So­lar­berg be­trach­tet, hat man nach 12,5 Jah­ren die In­ve­sti­ti­on zu­rück. Nach wei­te­ren 7,5 Jah­ren (so lan­ge läuft die För­de­rung) hat man dann al­so 300.000 € ver­dient. Das ist ei­ne Ver­zin­sung von 3%. Klingt doch ganz or­dent­lich – auch wenn man nicht weiß, wel­chen Ge­gen­wert die­ses Geld dann noch hat. Nach die­sen 20 Jah­ren pro­du­ziert die­se An­la­ge wei­ter Strom oh­ne Be­zu­schus­sung und das zu (sehr wahr­schein­lich) hö­he­ren Ent­gel­ten als heu­te. Su­per...

Jetzt kommt je­doch der er­ste Knack­punkt: Nach dem Er­neu­er­ba­re En­er­gien Ge­setz (EEG) wird die Er­zeu­gung von elek­tri­scher En­er­gie aus So­lar­zel­len am höch­sten be­zu­schusst – und zwar als Um­la­ge auf al­le Kon­su­men­ten von Strom. In der An­fangs­zeit war die­se Sub­ven­ti­on (die So­lar­lob­by wei­gert sich das Wort in den Mund zu neh­men) als An­schub­fi­nan­zie­rung zur Tech­no­lo­gie­för­de­rung wahr­schein­lich be­rech­tigt. In der Fol­ge­zeit hat sich aber nun er­ge­ben, dass et­wa je­der zwei­te För­der-Eu­ro in die So­lar­ener­gie fließt – die aber kei­nes­falls ent­spre­chen­de Strom­men­gen zur Ver­fü­gung stellt. Zi­tat SPIEGEL ONLINE 25.07.2011: »Vor al­lem die Pho­to­vol­ta­ik gilt in­zwi­schen als Mil­li­ar­den­grab. Auf sie ent­fällt mitt­ler­wei­le fast je­der zwei­te Eu­ro aus dem Öko­strom-För­der­topf, da­bei trägt sie nicht ein­mal ein Zehn­tel zur Öko­strom-Pro­duk­ti­on bei.«

Hier kom­men wir zum zwei­ten Knack­punkt: Im Ver­gleich mit an­de­ren er­neu­er­ba­ren En­er­gien hat die So­lar­ener­gie ein Ef­fek­ti­vi­täts­pro­blem. Wind­kraft z.B. ist we­sent­lich pro­duk­ti­ver, be­kommt aber nach EEG we­ni­ger Be­zu­schus­sung. In den west­li­chen Land­krei­sen sind in letz­ter Zeit z.B. ei­ni­ge neue Wind­rä­der mit Na­ben­hö­hen über 100 m ent­stan­den.

Je­des Kraft­pa­ket kann ei­ne Lei­stung von 2 Me­ga­watt brin­gen. Im Ver­gleich: Der so­ge­nann­te So­lar­berg auf der ehe­ma­li­gen Müll­de­po­nie bringt ge­ra­de 1 Me­ga­watt. Wäh­rend die Bau­ko­sten der Wind­rä­der sich so an die 3,8 Mil­lo­nen Eu­ro be­lau­fen, hat der So­lar­berg ca.4,5 Mil­lo­nen ge­ko­stet. Die En­er­gie­aus­beu­te pro Jahr wird bei so ei­ner Wind­kraft­an­la­ge ca. 4.000 Me­ga­watt­stun­den be­tra­gen und beim So­lar­berg nur 1.000 Me­ga­watt­stun­den!

Der drit­te Knack­punkt ist die pro­gno­sti­zier­te Ein­spa­rung von Koh­len­stoff­di­oxid: Der Aus­bau der So­lar­ther­mie hät­te hier wahr­schein­lich grö­ße­re Ef­fek­te. Da man aber die Ko­sten nicht auf al­le Ver­brau­cher um­le­gen kann, ge­schieht hier zu we­nig. In der en­er­ge­ti­schen Ge­bäu­de­sa­nie­rung stecken noch Re­ser­ven und das ist bei wei­ter stei­gen­den En­er­gie­ko­sten wahr­schein­lich loh­nend.

Al­lein durch mas­si­ve Ver­hal­tens­än­de­run­gen im Ge­brauch der Ver­kehrs­mit­tel wä­ren we­sent­lich grö­ße­re Po­ten­tia­le vor­han­den. Hier schei­nen die Sprit­prei­se im­mer noch zu nied­rig zu sein. Stei­ge­rung der En­er­gie­ef­fi­zenz – im Haus­halt Ein­satz von A+++ Ge­rä­ten – spart trotz hö­he­rer An­schaf­fungs­ko­sten letz­ten En­des Geld und na­tür­lich auch Kraft­werks­ka­pa­zi­tä­ten.

Si­cher stimmt es: »Klein­vieh macht auch Mist.« Und ge­ra­de des­we­gen ge­hört die So­lar­ener­gie im Mix da­zu. Man soll­te aber viel­leicht mit dem Be­griff So­lar­stadt Fürth nicht so stark hau­sie­ren ge­hen. Wenn man die ak­tu­el­le Ta­bel­le über die re­gio­na­le Ver­tei­lung von er­neu­er­ba­rer En­er­gie­er­zeu­gung an­sieht, dann fällt auf, dass z.B. die 4 Was­ser­kraft­wer­ke in Fürth schon zwei Drit­tel des Stroms pro­du­zie­ren, den die in­stal­lier­ten So­lar­zel­len schaf­fen. Man be­ach­te da­bei auch die in­stal­lier­te Lei­stung (peak ist je­weils der mög­li­che Spit­zen­wert)! Wenn man dann noch Ver­glei­che in der Me­tro­pol­re­gi­on an­stellt, steht z.B. in der reg­ne­ra­ti­ven En­er­gie­er­zeu­gung Maus­dorf we­sent­lich vor Fürth.

Zi­ta­te zu Maus­dorf (nordbayern.de vom 19.07.2011):

2004 wur­de ei­ne Bio­gas­an­la­ge kon­zi­piert. Ins­ge­samt 108 Bür­ger be­trei­ben zwei Wind­rä­der. 2009 wur­de mit dem Bau ei­nes Wär­me­net­zes be­gon­nen. 50 Häu­ser wer­den mitt­ler­wei­le ver­sorgt mit Wär­me aus der Bio­gas­an­la­ge und ei­ner Hack­schnit­zel­hei­zung. Das Dorf­ge­mein­schafts­haus wur­de grund­le­gend en­er­ge­tisch sa­niert. Al­lein hier­für er­brach­te die Dorf­ge­mein­schaft un­ent­gelt­lich 3500 Ar­beits­stun­den. Auf 17 Dä­chern lie­fern Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen ei­nen Er­trag von rund 500000 kWh/Jahr.

Zu­sam­men­ge­rech­net heißt das: Maus­dorf pro­du­ziert 13 Mil­lio­nen kWh/Jahr, das ist 25-mal mehr als der Ei­gen­be­darf. Vier Mil­lio­nen KWh pro­du­zier­te Wär­me ent­spre­chen in et­wa dem Maus­dor­fer Ver­brauch.

Die wich­tig­ste Bot­schaft von Jo­han­nes Mai­bom, ei­ner der Haupt­in­itia­to­ren der En­er­gie­wen­de: »Oh­ne die En­er­gie der Bür­ger wä­re wohl kaum ein Pro­jekt zu rea­li­sie­ren ge­we­sen.« Und: »Was wir in Maus­dorf tun, ist nichts Un­ge­wöhn­li­ches. Wie schon un­se­re Vor­vä­ter ma­chen wir uns die En­er­gie von Holz, Bio­mas­se, Son­ne oder Wind zu Nut­ze, aber auf ei­ne dem 21. Jahr­hun­dert an­ge­mes­se­ne Wei­se.«

 
An­mer­kung: Der Au­tor er­hielt 2000 ei­nen Um­welt­preis der Stadt Fürth für die Kon­zep­ti­on und Pro­duk­ti­on ei­ner Wan­der­aus­stel­lung (En­er­gie-Er­leb­nis-Pfad), die bun­des­weit An­er­ken­nung fand.

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3 Kommentare zu »So­lar­stadt Fürth für Über­flie­ger«:

  1. Siegfried Tiefel sagt:

    Strom aus Fo­tophol­ta­ik ist als Ni­schen­pro­dukt im En­er­gie­mix si­cher­lich zu ak­zep­tie­ren. Ei­nen we­sent­li­chen Bei­trag zur En­er­gie­wen­de wird er je­doch nicht lei­sten kön­nen. Der Haupt­grund ist die Ver­füg­bar­keit. Nachts und im Win­ter kommt gar nichts. Selbst an son­ni­gen Ta­gen schwankt der Er­trag je nach Be­wöl­kung zwi­schen fast Null und Hun­dert. Dies ver­ur­sacht ei­ne enor­me Be­la­stung der Strom­net­ze, zu­sätz­lich muss im­mer Kraft­werks­ka­pa­zi­tät vor­ge­hal­ten wer­den, um die­se Schwan­kun­gen aus­glei­chen zu kön­nen.

    Die­sen Strom spei­chern ist auch kei­ne gu­te Lö­sung. Es macht teue­ren So­lar­strom noch teue­rer. Spei­chern ist nur für bil­li­gen Strom (Grund­last) sinn­voll.

    Gänz­lich un­ver­ständ­lich wird die mil­li­ar­den­schwe­re Um­ver­tei­lung von Ka­pi­tal über das EEG, zu­gun­sten der Fo­to­vol­ta­ik, wenn man be­denkt, dass der Ar­beits­platz­zu­wachs schon lan­ge nicht mehr bei uns im Land son­dern in Chi­na statt fin­det.

    Das so­zi­al­po­li­ti­sche Re­sü­mee lau­tet, un­se­re Hartz IV Emp­fän­ger sub­ven­tio­nie­ren mit ih­rer Strom­rech­nung Ar­beits­plät­ze in Chi­na. Au­ßen­po­li­tisch ge­se­hen viel­leicht so­gar ge­wollt. Bei der Hö­he der Be­trä­ge auf Dau­er eher ein ge­wal­ti­ger volks­wirt­schaft­li­cher, öko­lo­gi­scher und so­zi­al­po­li­ti­scher Irr­tum.

  2. Bernhard Röhrl sagt:

    Vie­len Dank für den Ar­ti­kel an Hucky Scher­mann – die Ein­schät­zung zur Pho­to­vol­ta­ik und der Ver­gleich Fürth-Maus­dorf führt ge­nau zur Auf­ga­ben­stel­lung für die Für­ther En­er­gie­po­litk für die näch­sten Jah­re:

    - wie­viel Ei­gen­pro­duk­ti­on an er­neu­er­ba­rer En­er­gie­en im Stadt­ge­biet ist um­welt­ver­träg­lich (not­wen­di­ge Flä­chen vor­han­den) UND wirt­schaf­ti­lich mög­lich?

    - wie kann das Um­land (sie­he Maus­dorf) hel­fen – und na­tür­lich auch dar­an ver­die­nen)?

    - wo und wie kann die Stadt En­er­gie spei­chern (sie­he »bil­li­gen Strom« z.B. Wind­strom nachts, Pro­duk­ti­on von Wind­gas/EE-Gas, sie­he Wi­ki­pe­dia)?

    Ei­ne Ge­mein­de wie Maus­dorf kann si­cher re­la­tiv schnell mehr En­er­gie pro­du­zie­ren, als sie selbst be­nö­tigt (gro­ße Flä­chen­we­ni­ge Ein­woh­ner). In Fürth – als Groß­ver­brau­cher mit ge­rin­ger Flä­che für Wind/Solarkraftwerke – ist m.E. der Schlüs­sel die Aus­schöp­fung von Ein­spar­po­ten­tia­len in In­du­strie, Ge­wer­be, Ver­kehr, Haus­halt und Ge­bäu­den um den Ge­samt­ener­gie­be­darf der Stadt zu sen­ken. Da­mit könn­te der Flä­chen­be­darf für Wind/Solarkraftwerke in Gren­zen ge­hal­ten wer­den, eben­so die Bin­dung oh­ne­hin knap­per kom­mu­na­ler Mit­tel in lang­fri­sti­ge Pro­jek­te (sie­he Aus­gangs­punkt So­lar­berg).

  3. Um zu ei­nem grund­sätz­li­che­ren Stand­punkt zu kom­men, emp­feh­le ich (be­son­ders auch der Um­welt­pla­nung in Fürth) fol­gen­den Ar­ti­kel zum Über­den­ken:

    http://www.streifzuege.org/2009/die-wahrheit-ist-dem-menschen-zumutbar

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