Das Schif­fer­kla­vier

26. Dezember 2010 | von | Kategorie: Spielplatz

Mundart-Text (Grafik: Irma Stolz)

 
DAS SCHIFFERKLAVIER

Der Wil­li hätt halt gor zu gern a Schif­fer­kla­vier
ghabt, ober wou­her neh­ma und net stehln,
so mittn im Kriech.

A Klas­sen­ka­me­rod vom Wil­li, den sei­ne Leit
homm a Ze­ment­fa­brik ghabt – Ze­ment hat mer
a im Kriech vil braucht – der wor im Be­sitz
von sou an­e­ra Ziech­orgl.

Und wenn der Wil­li den hat ab­schreibn lassn,
dou hat er draf spiln derfn. An die Werk­toch
zwan­zich Mi­nutn und am Sunn­toch a hal­be Stund.

Der Wil­li hat jeds Stick­la glei aus­wen­di kennt.
Blous der­noch wor er oft ganz hin­der­sin­ni, weil
er gor so gern wei­terg­spilt hätt. Vil­leicht hat er
manchmol grie­na, ober sei­ne Leit hom des net
wis­sen derfn.

Schließ­li hats der Vad­der nim­mer mit osehng
ken­na und gmahnt: »Dou mouß wos gschehng«.
Im Kel­ler wor a alts Fohr­rod gstandn, ei­chent­li
a Gstell mit Felchn. Sunst warns ja da­miet gfohrn.

Dou derz­ou hat der Vad­der af Be­zuch­schein a
neia Be­rei­fung be­on­trocht. Und wies der Teifl
will, a halbs Johr spä­ter homm die doch werk­li
neia Reifn kricht.

Der Rost vom Gstell is ab­kratzt worn und ab-
gschmir­glt und fein­po­liert. A schwarza Farb
homms aa nu auf­triebn, und dou der­miet is des
Gstell mitz­amt dem Len­ker und der Glockn a
po­or Mol ogstrichn worn.

Der­noch hat der Vad­der in­se­riert: »Tau­sche
Fahr­rad ge­gen Schif­fer­kla­vier«. A an­zi­cher
Moo hat si gmeld, der is a glei og­fohrn kum­ma
mit an Au­to wie a Prit­schnwong, wo hintn a
Holz­oufn gstandn is, der den Mo­tor be­triebn
hat.

Der Moo is mit sei­ne dickn Fin­ger iber die ab-
grieb­na Stelln vom Fohr­rodg­stell dri­ber gfohrn,
hat mit der schwar­zogs­trich­na Glockn gschellt,
und ka an­zichs Wört­la iber die no­gl­neia Be­rei-
fung ver­lorn.

»Al­so, der Handl is per­fekt«, hat er na gs­acht
und glei des Fohr­rod af die Pritschn ghobn und
im Ge­gen­zuch a groß, schwers, eckerts Pa­ket
run­ter­glangt. Und der­noch is er glei ab­dampft.

Der Wil­li und sei­ne Leit homm erscht amol die
Dräht run­tergwick­lt, weil mer die ja wid­der hat
ver­wendn ken­na, und die Schnir homms af­zong.
Und wies end­li mit de­ra um­ständ­lin Aus­packe­rei
fer­ti worn, wos kummt dou zum Vor­schein:
A NÄHMASCHINA!

Nach an­nera Weil, wies die Sprach wid­der-
gf­undn homm, sacht der Vad­der: »Und etz
wird nu­a­mol in­se­riert«. Und wies der Herr­gott
will, der Wil­li is doch nu zu sein Schif­fer­kla­vier
kum­ma. Zwor af den Um­wech iber die Näh­ma-
schi­na, ober so spilt hat des Lebn.

Der Wil­li is a be­kann­ter Volks­lie­der­in­ter­pret
worn und hat mit sei­ne Al­fel­der Mu­si­kantn
re­gel­mä­si im Rund­funk gs­pilt.

Sei Ein­stiegs­in­stru­ment hat er nu dreisg Johr
lang af­g­hom.

 
Die Au­torin hat 20 Jah­re lang als Apo­the­ke­rin im Für­ther Kli­ni­kum ge­ar­bei­tet, schreibt seit 25 Jah­ren Ge­dich­te, Songs und Ge­schich­ten und ist heu­te 77 Jah­re jung. Sie lebt und tex­tet in Ca­dolz­burg.

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6 Kommentare zu »Das Schif­fer­kla­vier«:

  1. Doc Bendit sagt:

    schäi wo­ars zum Lesn !

  2. Drum hob­bi der goudn Fraa a versch­bro­chn, im­mer wid­der amol an­ne vu ih­re schee­na Gschichdla dou bei uns nei­zu­schdelln!

  3. Michel Beck sagt:

    Ei­ne wun­der­ba­re Ge­schich­te, die Lust auf mehr macht und auf wei­te­re hof­fen lässt.

    Und das Wort »Ziech­orgl« – herr­lich! – ver­su­che ich ab so­fort in mei­nem täg­li­chen Wort­schatz un­ter­zu­brin­gen ;-)

  4. Manfred Detterbeck sagt:

    Ei­ne schö­ne Ge­schich­te dar­über, wie man sich in ei­ner schwe­ren Zeit be­hel­fen muss­te sei­ne Träu­me zu ver­wirk­li­chen. Wun­der­bar im frän­ki­schen Dia­lekt er­zählt. Mehr da­von!

  5. Dem Wunsch nach mehr kann heu­te Abend schon ent­spro­chen wer­den, wenn­gleich auch nicht mit ei­ner wei­te­ren Mund­art­ge­schich­te. Die­se ma­chen in der Tat nur ei­nen klei­nen Bruch­teil im Œv­re der Au­torin aus. Sie dür­fen sich aber jetzt schon freu­en auf ein Ge­dicht aus der Ju­gend­zeit un­se­rer al­ten Da­me, die da­mals ganz an­ders sein woll­te als sie letzt­end­lich war...

  6. Mei­ne Freun­din Il­se ist in­zwi­schen 90 Jah­re alt und es ist ihr wich­tig, dass ih­re Ge­dich­te nicht ir­gend­wann mit ihr selbst be­gra­ben wer­den und dem Ver­ges­sen an­heim­fal­len. Die­sen Wunsch er­fül­le ich sehr ger­ne: Ei­ne Ver­trau­te von ihr hat mir al­ler­lei Da­tei­en von Il­se Rucks Schreib­com­pu­ter auf ei­nen USB-Stick ko­piert und ich konn­te aus Scans die Ly­rik-Samm­lung

    »Ich will kei­nen Vor­hang vorm Fen­ster«

    als PDF-Da­tei re­kon­stru­ie­ren. Tech­nisch ist der Weg Da­tei -> Aus­druck -> Scan -> Da­tei na­tür­lich al­les an­de­re als op­ti­mal, aber dem In­halt konn­te der mehr­fa­che Me­di­en­wech­sel nichts an­ha­ben und nur dar­auf kommt es letzt­lich an...

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