Die de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lung (und die fal­schen Schluss­fol­ge­run­gen der Stadt Fürth)

14. November 2010 | von | Kategorie: Politik

Der Für­ther Ver­wal­tung scheint die Be­völ­ke­rungs­ent­wick­lung nicht ge­läu­fig zu sein. Al­le re­nom­mier­ten Wis­sen­schaft­ler wei­sen auf den »de­mo­gra­fi­schen Wan­del« hin – d.h. es wer­den im­mer we­ni­ger Men­schen ge­bo­ren; Fürth ist hier bei­lei­be kei­ne »ein­sa­me In­sel in der Süd­see«.

Bald blühen hier keine Wiesen mehr - Oberfürberg am Fürther Stadtwald (Foto: Werner Schmidt)

Bald blü­hen hier kei­ne Wie­sen mehr – Ober­für­berg am Für­ther Stadt­wald (Fo­to: Wer­ner Schmidt)

Es ist zwar rich­tig, dass die Zah­len des Baye­ri­schen Lan­des­amts für Sta­ti­stik für 2028 für die Städ­te Nürn­berg und Fürth noch ein klei­nes Wachs­tum der Be­völ­ke­rung von heu­te 504.000 auf 520.000 (Nürn­berg) bzw. 114.000 auf 119.000 (Fürth) pro­gno­sti­zie­ren – aber dies sind nur 3–4% in 20 Jah­ren. In der rest­li­chen In­du­strie­re­gi­on sta­gniert die Ein­woh­ner­zahl und im west­li­chen Mit­tel­fran­ken geht sie laut Sta­ti­stik­amt so­gar von heu­te 413.000 auf 394.000 – al­so um fast 5% – zu­rück. Nach dem Jahr 2030 ist dann auch in Nürn­berg-Fürth die Be­völ­ke­rung stark rück­läu­fig.

Dies er­klä­ren mitt­ler­wei­le al­le re­nom­mier­ten Wis­sen­schaft­ler mit dem de­mo­gra­fi­schen Wan­del. We­gen stark ge­sun­ke­ner Ge­bur­ten­zah­len gibt es im­mer we­ni­ger jun­ge Men­schen; gleich­zei­tig steigt die Zahl der über 65-jäh­ri­gen stark an. Die mei­sten die­ser äl­te­ren Men­schen wol­len si­cher kein Ein­fa­mi­li­en­haus. Die von Ober­bür­ger­mei­ster Tho­mas Jung er­war­te­ten Jun­gen wird es schlicht nicht ge­ben: Dies zu igno­rie­ren zeugt nicht von gu­ter Po­li­tik.

Wenn da für die kom­men­den Jah­re ein Be­darf von 24.000 neu­en Häu­sern in Mit­tel­fran­ken pro­gno­sti­ziert wird, sind Zwei­fel an die­ser Zahl mehr als an­ge­bracht: Wenn, dann wer­den 24.000 zu­sätz­li­che Pfle­ge­plät­ze be­nö­tigt oder al­ten­ge­rech­te Woh­nun­gen in den Städ­ten.

Beim Ver­gleich wei­te­rer Zah­len – auch die­se vom Lan­des­amt für Sta­ti­stik – kann man Er­staun­li­ches fest­stel­len: Nürn­berg hat z.B. 530 Be­schäf­tig­te pro 1000 Ein­woh­ner und Er­lan­gen so­gar 760. In Fürth hin­ge­gen sind es nur 350! Das be­deu­tet schlicht, dass in Fürth Ar­beits­plät­ze feh­len. Wenn es in Fürth mehr Ar­beits­plät­ze gä­be, dann hät­te die Stadt auch mehr Ge­wer­be­steu­er­ein­nah­men. Die­se be­trug 2008 in Nürn­berg 666 Eu­ro pro Ein­woh­ner, in Er­lan­gen 606 Eu­ro und in Fürth nur 329 Eu­ro!

Und mehr Ar­beits­plät­ze hier in Fürth hät­ten noch ei­nen po­si­ti­ven Ne­ben­ef­fekt – die hier woh­nen­den Men­schen bräuch­ten dann nicht mehr nach Nürn­berg und Er­lan­gen zu pen­deln. Das wür­de zu­dem das Ver­kehrs­auf­kom­men und die Um­welt­be­la­stung ver­rin­gern. Al­so, gu­te Po­li­tik schafft erst ein­mal Ar­beits­plät­ze und bringt dann das The­ma wei­te­ren Wohn­raums in die Dis­kus­si­on.

Woh­nun­gen gibt es in Fürth schon ge­nü­gend – sie müss­ten nur mo­der­ni­siert und al­ten­ge­recht aus­ge­baut wer­den. Ein­fa­mi­li­en­häu­ser sind nicht ge­eig­net, dem Phä­no­men des de­mo­gra­fi­schen Wan­dels ge­recht zu wer­den! Oder will der Ober­bür­ger­mei­ster aus Fürth ei­ne rei­ne »Schlaf­stadt« für die in Nürn­berg und Er­lan­gen ar­bei­ten­den Men­schen ma­chen?

 
Der Au­tor ist Spre­cher des VCD in Fürth.

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7 Kommentare zu »Die de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lung (und die fal­schen Schluss­fol­ge­run­gen der Stadt Fürth)«:

  1. Ich bin mir nicht si­cher, ob man die ge­ne­rel­le Be­völ­ke­rungs­ent­wick­lung so oh­ne wei­te­res auf Fürth über­tra­gen kann: Die Stadt ist ja aus ver­schie­de­nen Grün­den at­trak­tiv und wächst da­her si­cher auch zu­künf­tig ge­gen den Trend. Wie über­haupt die Städ­te pro­fi­tie­ren wer­den zu La­sten der länd­li­chen Kom­mu­nen: Der de­mo­gra­fi­sche Wan­del wird auf dem Land mit weit grö­ße­rer Wucht an­kom­men als in den Städ­ten, die an­ge­sichts kur­zer We­ge, al­ten­ge­rech­ter Ver­sor­gungs­la­ge und ur­ba­nen Kul­tur­le­bens ih­ren ho­hen Be­völ­ke­rungs­stand ver­mut­lich noch lan­ge wer­den hal­ten kön­nen...

    Un­ge­ach­tet die­ser mei­ner ab­wei­chen­den La­ge­be­ur­tei­lung hal­te auch ich es für we­der sinn­voll noch ver­ant­wort­lich, wei­ter­hin bis­lang un­be­bau­te Flä­chen der Be- und Zer­sie­de­lung zu op­fern: Mit wei­te­rer Ver­dich­tung wä­re in der Stadt selbst si­cher noch ei­ni­ges an at­trak­ti­vem Wohn­raum zu schaf­fen.

    Frei­lich sind die Ein­wirk­mög­lich­kei­ten der Po­li­tik ins­ge­samt be­grenzt: Ei­ne – wenn auch ir­ra­tio­na­le – Nach­fra­ge nach frei­ste­hen­den Ein­fa­mi­li­en­häu­sern be­steht nun ein­mal in den Hir­nen vie­ler deut­scher Mi­chels (und de­ren Mi­chae­las). Und auch Ar­beits­plät­ze – qua­li­fi­zier­te zu­mal – ent­ste­hen nicht un­be­dingt aus Wunsch­den­ken und per Wil­lens­akt: Die struk­tu­rell und hi­sto­risch be­ding­ten Un­ter­schie­de zwi­schen Er­lan­gen, Fürth und Nürn­berg kann man mei­nes Er­ach­tens schwer­lich der ge­gen­wär­ti­gen Stadt­spit­ze an­la­sten, die ja auch nur ver­su­chen kann, mit ih­ren be­grenz­ten Mög­lich­kei­ten auf die Aus­wir­kun­gen glo­ba­ler Me­ga­trends leid­lich ad­äquat zu re­agie­ren...

  2. Der Flä­chen­fraß durch Be­bau­ung ist ein rie­si­ges Pro­blem in der ge­sam­ten west­li­chen Welt, aber v.a. in Deutsch­land. In die­sem Fall gibt ein­zig der de­mo­gra­phi­sche Fak­tor An­lass zur Hoff­nung, denn die Po­li­tik scheint das Pro­blem nur noch zu ver­stär­ken. Je­de Ge­mein­de schickt sich an, re­gel­mä­ßig neue Bau­ge­bie­te für Ein­fa­mi­li­en- und Dop­pel­häu­ser aus­zu­wei­sen, weil die In­ter­es­sen­ten für die­se Wohn­form vor­wie­gend aus der jün­ge­ren Mit­tel­schicht kommt und in­so­fern in Ver­dacht ste­hen, noch ei­ne gan­ze Wei­le Ein­kom­mens­steu­er zah­len zu kön­nen. Steu­ern wer­den am Wohn­sitz fäl­lig: Ge­nau die­ses Steu­er­zu­tei­lungs­ge­setz soll­te als er­stes in den Pa­pier­korb. Das durch­zu­set­zen, ist aber kei­ne kom­mu­nal­po­li­ti­sche Auf­ga­be und in­so­fern auch nichts, was man der Für­ther Stadt­spit­ze an­la­sten könn­te. Ei­ne Stadt, die un­ter die­sen steu­er­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen nicht ver­sucht, den mo­men­ta­nen Be­darf an der Wohn­form Ein­fa­mi­li­en­haus zu be­frie­di­gen, han­delt fi­nanz­po­li­tisch völ­lig un­ver­ant­wort­lich.

    Der Be­darf an Ein­fa­mi­li­en­häu­sern ist selbst das Pro­blem: Die­se iso­la­ti­ons- und de­pres­si­ons­för­dern­de Wohn­form wird zwar in der Mit­tel­schicht häu­fig ge­lebt, aber hat sie sich wirk­lich be­währt? Oder wird die­se Wohn­form nicht v.a. durch das Feh­len at­trak­ti­ver Al­ter­na­ti­ven un­ter­stützt? Ge­nau hier setzt die Ver­ant­wor­tung der Stadt­ver­wal­tung und der Stadt­spit­ze an: Nicht dass in Ober­für­berg ge­baut wird, son­dern was dort ver­mut­lich ge­baut wer­den wird, ist der Skan­dal, der als sol­cher wahr­schein­lich nur von we­ni­gen wahr­ge­nom­men wird, weil sich die mei­sten an die vi­su­el­le Um­welt­ver­schmut­zung durch Ein­fa­mi­li­en­haus­sied­lun­gen be­reits ge­wöhnt ha­ben und nur im Ur­laub die Schön­heit ein­heit­lich und eng zu­sam­men­ste­hen­de ita­lie­ni­scher Berg­dör­fer er­ken­nen und ge­nie­ßen. Da­heim gel­ten dann wie­der die hirn­ris­si­gen Ab­stands­re­ge­lun­gen der Lan­des­bau­ge­set­ze und die Frei­heit der Bau­stoff­wahl in ei­ner glo­ba­li­sier­ten Welt. Das grau­sa­me Ge­samt­ergeb­nis kann man sich z.B. in Ober­mi­chel­bach oder an­de­ren Vor­ort­sied­lun­gen an­schau­en. Da­bei braucht man gar nicht bis nach Nord­ita­li­en zu fah­ren, um gu­te Bei­spie­le für har­mo­ni­sche und ge­mein­schafts­för­dern­de Sied­lungs­struk­tu­ren zu se­hen. Die Sied­lung »ei­ge­nes Heim« an der Va­cher Stra­ße hat ge­nau die­se Qua­li­tä­ten.

    Wenn in Ober­für­berg schon ge­baut wird, soll­te die Chan­ce ge­nutzt wer­den, hier ab­seits von mo­di­schen Ar­chi­tek­tur-Alar­men a´la Fi­scher-Haus (Va­cher Stra­ße nach der Bahn­un­ter­füh­rung) als Leucht­turm­pro­jekt die öko­lo­gisch und so­zia­le Sied­lung der Zu­kunft für Jung (sor­ry Mör­der-Wort­spiel...) und Alt in Fürth zu pla­nen und zu bau­en. Ge­nau hier liegt die Ver­ant­wor­tung der Stadt­spit­ze.

  3. Doc Bendit sagt:

    Bau­ge­biet Ober­für­berg, Ein­fa­mi­li­en­haus­po­litk, De­mo­gra­fie

    ich fin­de die Dis­kus­si­on um das neue Bau­ge­biet ist durch­weg ver­lo­gen und wird haupt­säch­lich von pri­vi­le­gier­ten An­rai­nern be­feu­ert. Die Aus­wei­sung fast al­ler Flä­chen im We­sten der Stadt zu Wohn­bau- oder Ge­wer­be­zwecken steht seit zig Jah­ren im je­der­mann zu­gäng­li­chen Flä­chen­nut­zungs­plan, le­dig­lich das Da­tum der Be­bau­ung ist of­fen. Wenn jetzt die lie­ben Ober­für­ber­ger ge­gen Um­welt­zer­stö­rung wet­tern, vor al­lem je­ne aus der »Bäcker­sied­lung« (letz­te Be­bau­ungs­wel­le Mit­te der 1990er Jah­re), dann ist das mehr als un­glaub­wür­dig. Wä­re das Reichs­bo­den­feld bei Un­ter­für­berg jetzt fäl­lig (ja, lie­be Un­ter­für­ber­ger, das soll auch be­baut wer­den, und zwar schon seit den Sieb­zi­gern), wür­de sich man­gels Lob­by wahr­schein­lich kei­ner wei­ter dar­an stö­ren (au­ßer den Um­welt­schüt­zern na­tür­lich, aber die ste­hen bei wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen lei­der im­mer hin­ten an).

    De­mo­gra­fi­scher Wan­del hin oder her, der Be­darf nach Häu­sern ist nach wie vor groß. Wer das nicht glau­ben mag soll­te mal ei­nen Aus­flug ins na­he Egers­dorf ma­chen, das dor­ti­ge Bau­ge­biet hat gi­gan­ti­sche Aus­ma­ße, liegt un­gün­stig im Nie­mands­land, und trotz­dem sind meh­re­re hun­dert Ein­hei­ten so schnell ver­kauft wor­den, dass man jetzt be­reits über ei­nen zwei­ten Bau­ab­schnitt nach­denkt, wel­cher ei­gent­lich erst in ei­ni­gen Jah­ren fäl­lig ge­wor­den wä­re. Um­welt­be­den­ken? Fehl­an­zei­ge.

    In­so­fern hat das Ober­für­ber­ger Pro­jekt gu­te Chan­cen, ein Ren­ner zu wer­den, es wä­re, wie be­reits Herr Horn­stein an­merkt, dumm, hier nicht mit­zu­mi­schen. Der Ver­brauch von Res­sour­cen und der da­mit ein­her­ge­hen­de Flä­chen­fraß in­des ist ein Pro­blem der gan­zen Mensch­heit, nicht nur der west­li­chen Welt (sie­he ex­po­nen­ti­el­le Zu­wäch­se in Asi­en) und wird die­se wohl, ähn­lich ei­nem Krebs­ge­schwür, ir­gend­wann um­brin­gen.

    Auch die Aus­sa­ge, dass das Ein­fa­mi­li­en­haus ei­ne de­pres­si­ve Wohn­form sein soll, mag ich nach knapp zwei Mo­na­ten des ei­gen­stän­di­gen Woh­nens nicht nach­voll­zie­hen. Im Ge­gen­teil, es wirkt un­heim­lich be­frei­end und be­ru­hi­gend, de­pres­siv und krank­ma­chend fin­de ich im Rück­blick eher die Miets­ka­ser­nen und Ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten. Wo­bei letz­te­re wohl mit Ab­stand die schlimm­ste Wohn­form über­haupt dar­stel­len: Be­seelt von dem Glau­ben, et­was zu be­sit­zen und Mit­spra­che­recht zu ha­ben, to­ben re­gel­rech­te Krie­ge, Stock­werk ge­gen Stock­werk, Nach­bar ge­gen Nach­bar, An­walt ge­gen An­walt. Wenn man im Nach­hin­ein er­fährt, dass lie­be Mit­men­schen man­gels an­de­rer Hob­bys Be­we­gungs­pro­fi­le ih­rer Mit­be­woh­ner er­stel­len, hört der Spaß de­fi­nitv auf.

    Zum Trend zu­rück in die Stadt er­lau­be ich mir noch fol­gen­de An­mer­kung: hier wird zur Zeit die äl­te­re Ge­ne­ra­ti­on gna­den­los aus­ge­nom­men und ab­ge­zockt. Wenn man als Rent­ner ein ab­be­zahl­tes Haus ge­gen ei­ne Woh­nung in der Stadt ein­tauscht und da­für dann wie­der Kre­di­te auf­neh­men muss, weil die­se Wohn­an­ge­bo­te völ­lig über­teu­ert ge­nau auf die­se äl­te­re, wohl­ha­ben­de Ge­ne­ra­ti­on ab­zie­len, dann fra­ge ich mich schon nach dem Sinn und der In­tel­li­genz der Käu­fer. Woh­nen als Al­ters­vor­sor­ge ? Hier de­fi­nitv nicht mehr. Al­ter­na­tiv könn­te man für den Mehr­preis der Woh­nung auch im Haus woh­nen blei­ben und lan­ge Jah­re ei­ne Zu­geh­frau be­schäf­ti­gen, na ja....jedenfalls wird mit die­sem Trend, die jun­ge, kauf­wil­li­ge Be­völ­ke­rung (so­weit es die noch gibt) zwangs­wei­se aus der In­nen­stadt ver­drängt, weil man sich die Woh­nun­gen dort schlicht­weg nicht lei­sten kann, und ver­mut­lich ist das auch so ge­wollt, da­mit die »Al­ten« un­ter sich sein kön­nen und die Städ­te dann kom­plett ver­grei­sen.

    Die Land­schafts­zer­stö­rung wird auf je­den Fall wei­ter­ge­hen, auch wenn sich die Stadt mehr auf Ar­beits­plät­ze kon­zen­trie­ren wür­de wie Herr Schmidt for­dert. Da­für wird halt dann die west­li­che Hard­hö­he zu­ge­baut. Es geht halt im­mer: Wohn­haus, Ho­tel, Stra­ße, Wohn­haus, Was­ser­werk, E‑Werk... wie bei Mo­no­po­ly.

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